Beschreibung
Ein Buch zum Träumen, Sehnen und Sternensegeln. Sieben zauberhafte Geschichten entführen den Leser in märchenhafte Welten, an die unbändige Küste des Atlantiks und in die dichten Wälder des Nordens. Sie erzählen von der Sehnsucht nach Freiheit und dem Wunsch nach Zweisamkeit, von der Suche nach dem eigenen Glück und der Magie der Selbsterkenntnis. Durch Mut und Zuversicht werden Träume Wirklichkeit. 'Er flog mit dem Wind. Schneeflocken auf den Lippen. Eiskristalle in den Haaren. Ein Licht im Herzen. '
Autorenportrait
Michaela Abresch, Jahrgang 1965, lebt mit ihrer Familie in einer Kleinstadt im Westerwald. Sie ist tätig in pflegerisch-beratender Funktion innerhalb einer Einrichtung für Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen. Verschiedenen Veröffentlichungen in Anthologien und ihrem 2012 erschienenen Erzählband 'Das Mirakelbuch' folgte ein Jahr später ihr erster historischer Roman 'Ostrakon. Die Scherbenhüterin'. Homepage der Autorin: www.michaela-abresch.de "Die Arbeit an einem Roman verlangt dem Schreiber viel mehr ab als nur Zeit. Immer wieder in die selbst erschaffene Welt aus Worten einzutauchen, führt dazu, sich irgendwann als ein Teil von ihr zu fühlen - und die Figuren darin werden wie gute Freunde, die man vermisst, sobald man sie ein paar Tage nicht gesehen hat."
Leseprobe
Aus: Ein Name für den Fischer Dunstig und kühl waberte der Morgen über dem Ozean, wie immer bevor es Tag wurde. Der Alte wendete das Boot. El Loco, den Verrückten, nannten ihn die Leute aus dem Dorf. Den richtigen Namen des wortkargen Alten, der im Leuchtturm auf der felsigen Anhöhe hauste, kannte niemand. Er wusste ihn ja selbst kaum noch. Irgendwann vor langer Zeit war er bedeutungslos geworden. Wozu brauchte er einen Namen?? Wozu brauchten Dinge einen Namen?? Sie existierten, dienten dem täglichen Gebrauch, das genügte. Namen waren so überflüssig wie ein Leck in den Planken. Der Motor am Heck gab ein eigenwilliges Rasseln von sich, als leide er an der Schwindsucht, ein Zustand, der den alten Mann schon lange nicht mehr beunruhigte. Das Boot war in die Jahre gekommen und der Motor bereits zweimal repariert worden. Sollte er weiter derart röcheln, würde er irgendwann und unvermutet seinen Dienst aufgeben. So war es ihm in der Werkstatt im Dorf gesagt worden und man hatte ihm geraten, schnellstmöglich einen neuen einbauen zu lassen. Ein neuer Motor aber kostete Geld. Geld, das er nicht besaß. Seit der letzten Reparatur war nun fast ein Jahr ins Land gegangen und der Motor tat entgegen aller Prophezeiungen seine Arbeit immer noch. So fuhr der Alte sorglos mit seinem schwindsüchtigen Boot hinaus, Tag für Tag, um sein hundertmal geflicktes Netz auszuwerfen. Er tat es einzig der Sardinen und der Stockfische wegen, doch pflückte er oftmals auch anderes aus den grob geknüpften Maschen. Seetang, Wellhornschnecken, Treibholz, Fetzen von Plastiktüten, rostige Blechdosen, zerrissene Seile oder wie bei diesem Fang . ein Meermädchen. Es war kaum größer als eine Sprotte, weshalb der Alte sein eigentümliches Fundstück zunächst nicht bemerkte. Zappelnd wand es sich, nachdem es mitsamt dem Netz über die Bordwand ins Innere des Fischkutters gehievt worden war, in einem Haufen silbriger Sardinenleiber, und schrie um sein Leben. Obschon es sich darüber im Klaren war, dass niemand - außer den Sardinen vielleicht - sein Flehen vernehmen konnte, hörte es nicht auf damit. Meermädchenstimmen sind nur für die wenigsten menschlichen Ohren wahrnehmbar und dieses hier fluchte und zeterte und kreischte, dass es einem alten Seebären zur Ehre gereicht hätte. Dem Alten indes schien es, als vernehme er außer dem vertrauten Geräusch der sich am Bug brechenden Wellen noch etwas anderes, den Klang fremder Laute, die ihn, hätte er es nicht besser gewusst, an eine menschliche Stimme erinnerten. Er schüttelte den Kopf über sich selbst und beugte seine arthritischen Knie herunter auf die meerwassergetränkten Bootsplanken, wo er sogleich mit dem Sortieren von Unbrauchbarem und Nützlichem begann. Dabei merkte er nicht, dass er das zweifingerkleine Meermädchen - im festen Glauben, es sei eine Sardine - achtlos mit den anderen in den neben sich stehenden Eimer warf. Glücklicherweise kam es zuoberst zu liegen, wodurch es der Gefahr entging, von den Fischleibern erdrückt zu werden. Zu schwach, um weiter zu schreien, verstummte es und sparte die verbliebene Energie für die Notatmung auf. Kurze Zeit darauf erreichte der Kutter die sandige, etwa vier Bootslängen messende Bucht unterhalb der Klippe. Der Alte sprang heraus, vertäute den Kahn und breitete das Netz auf den Felsen zum Trocknen aus. Dann schleppte er den Eimer mit seinem Fang hangaufwärts zu dem kleineren der beiden Leuchttürme, der sein Zuhause war. Lange Zeit war der Turm den Seefahrern von unschätzbarem Nutzen gewesen. Seit man aber den neuen in unmittelbarer Nähe errichtet hatte, mehr als dreimal so hoch und weiß und schlank emporragend, stand der alte Turm leer und niemand kümmerte sich darum, als El Loco eines Tages dort Quartier bezog. Die Leute aus dem Dorf hielten den knurrigen, ungepflegten Kauz für einen Sonderling, der keinen Wert auf die Gesellschaft anderer Menschen legte, weshalb man ihm seine selbst gewählte Ruhe ließ. Ein unnützer Alter in einem unnützen Turm. Der Moment, in dem d