Beschreibung
Die Westerwald-Geschichten "Das Mirakelbuch" und "Kalt ruht die Nacht" nun als praktisches Bundle erhältlich! In "Das Mirakelbuch" entführen zwölf Geschichten ihre Leser in mittelalterliche Städtchen des Westerwaldes, auf Bergfriede und hinter die Pforten von Klöstern. Wolfsspuren im frisch gefallenen Schnee. ein blutiger Dolch, im Wald verscharrt. ein stummes Mädchen mit einem geheimnisvollen Buch. Könnten sich die Ereignisse damals tatsächlich so zugetragen haben? Sechsmal Spannung und sechsmal Nervenkitzel bietet der Band "Kalt ruht die Nacht". Hier wird in scheinbarer Beschaulichkeit des Westerwaldes erwürgt, erstickt und Gift gemischt. Atmosphärisch und unglaublich lebhaft erzählt Michaela Abresch von Morden, Intrigen, menschlichen Abgründen und Liebe.
Autorenportrait
Michaela Abresch Ein Westerwälder Kind. Dort geboren, aufgewachsen und noch immer wohnhaft. Mit dreizehn Jahren die Liebe zum Schreiben entdeckt. Bücher verschlungen. Geschichten verfasst. Inzwischen verheiratet, Mutter von zwei erwachsenen Söhnen, tätig als Beratende Pflegefachkraft in einer Einrichtung der Behindertenhilfe. Das Schreiben weder aus den Augen noch aus dem Sinn verloren. Neben Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien folgende Veröffentlichungen im acabus Verlag: 2012 Das Mirakelbuch (Historische Erzählungen aus dem Westerwald) 2013 Ostrakon - Die Scherbenhüterin (Historischer Roman) 2015 Meermädchen und Sternensegler (Geschichten zwischen Traum und Wirklichkeit) 2017 Kalt ruht die Nacht (Historische Kriminalgeschichten aus dem Westerwald) Besuchen Sie die Autorin auf www.michaela-abresch.de
Leseprobe
Josephines Vermächtnis Greifenstein, im Jahr 1686 Als ich sie zum ersten Mal zu Gesicht bekam, erschrak ich. Sie war von kränklichem Aussehen mit ihren verhärmten Zügen und den stumpf wirkenden Augen. Niemand hätte mir sagen müssen, dass sie eine von Traurigkeit gezeichnete Frau war. Die Schwermut bedeckte sie wie ein Mantel, wohin sie sich auch wandte. Ich begriff nicht, warum eine vom Glück gesegnete Frau wie sie nicht den ganzen Tag mit einem Strahlen im Gesicht durchs Leben tanzte. In einer herrschaftlichen Burg zu leben, umgeben von Dienern, die ihr jederzeit alle Wünsche erfüllten, keinen Hunger zu leiden, in einem Bett mit warmen Decken zu schlafen und die prachtvollsten Kleider nach der neuesten Mode zu tragen, erschien mir nach den entbehrungsreichen Monaten meiner Flucht wie ein Segen des Herrn. Es wollte nicht in meinen Kopf, dass sie all dies besaß und dennoch vor Niedergeschlagenheit nicht das kleinste Lächeln zustande brachte. Erst als ich von ihrer Kammerfrau erfuhr, dass innerhalb von sechs Jahren vier ihrer Kinder gestorben waren - das letzte, ein kleines Mädchen von drei Monaten, hatte man erst vor wenigen Tagen neben seinen Geschwistern in der Gruft beigesetzt - verstand ich, dass all jenes, was mir zuvor als das reine Glück erschienen war, für die Gräfin seine Bedeutung verloren hatte. Der Schmerz des Verlustes trübte ihr Leben und schwächte sich nur etwas ab, wenn die Kinderfrau ihren kleinen Sohn brachte, das einzige ihrer Kinder, das das vierte Lebensjahr erreicht hatte. Noch während der Zeit meiner Ausbildung zur Zofe ließ die Gräfin häufig nach mir rufen. Rasch beherrschte ich die ersten Worte in der neuen Sprache, was die Verständigung zwischen uns erleichterte. Sie wünschte meine Begleitung immer öfter und nach kurzer Zeit kannte ich ihre Lieblingsplätze, die unterirdisch gelegene Kapelle, die riesigen Volieren, in denen die Beizvögel gehalten wurden, und den Laubengang, der sich durch einen großen Teil des Lustgartens zog und in dessen Schatten sie im Sommer gern flanierte. So dauerte es nicht lange, bis ich Richard zum ersten Mal sah. Man bedenke, dass ich ein Mädchen von fünfzehn Jahren war, das aus einfachen Verhältnissen stammte und nach der Zeit der Flucht gerade dabei war, sich an ein neues Leben zu gewöhnen. Dass die Beizjagd als besondere Darstellung der höfischen Lebensart galt und viele Adelige Gefallen daran fanden, Greifvögel abrichten zu lassen und Jagden mit ihnen zu veranstalten, hatte man mich während meiner Ausbildung zur Zofe bereits gelehrt. Den Falkner hatte ich aber bis zu jenem Tag noch nicht gesehen. Heute glaube ich, dass es die Einheit aus Mann und Greifvogel war, die mich veranlasste, im Schritt zu verharren und beide wie verzaubert anzustarren. Sie verkörperten ein Bild der Verbundenheit, wie es zwischen zwei Menschen nicht enger sein konnte. Der Falke in seinem grau-weiß gestrichelten Federkleid saß bewegungslos auf dem ledernen Armschutz des Falkners. Die helle Brust und der Hals waren dunkel gefleckt und über die Kehle zog sich ein schwarzer Längsstreifen. Voller Ruhe richtete er seinen Blick auf mich, aus kreisrunden Perlenaugen, die dunkle Iris umgeben von einem gelben Ring. 'Gräfin! Wie es mich freut, Euch zu sehen!' Die Stimme des Mannes, tief und ohne Hast, riss mich aus meiner Andacht. Als Zeichen größter Verehrung verneigte er sich mit zu Boden gesenktem Blick vor meiner Herrin und nahm ihre Hand in seine. Den Falken auf seiner Faust störte diese plötzliche Bewegung nicht, er drehte nicht einmal den Kopf. Ich stand nur wenige Schritte entfernt und damit nah genug, um zu beobachten, dass seine Lippen die Etikette missachteten und den Handrücken der Gräfin mit einer tiefen Zärtlichkeit berührten. Beinahe vergaß ich weiterzuatmen, so wühlte mich diese Geste auf! Aber sie mutete nicht respektlos oder unsittlich an und wirkte nicht, als habe der Falkner nur das Betören der Gräfin im Sinn. Oh, wie mein Herz pochte, als ich bemerkte, dass die Gräfin es gescheh