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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446205437
Sprache: Deutsch
Umfang: 64 S.
Format (T/L/B): 0.7 x 20 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Dito Timmel, ein vergessener Triestiner Maler, der 1949 im Irrenhaus starb, steht im Mittelpunkt dieser anarchischen und tragikomischen Erzählung. Postum werden Timmels Gemälde im Irrenhaus gezeigt, die Leichenreden halten die Freunde in der Wirtschaft, während der Sarg auf dem Friedhof gesegnet wird. Die unheimliche Parabel eines genialischen Außenseiters, der alles aufs Spiel setzt und alles verliert.

Autorenportrait

Claudio Magris, 1939 in Triest geboren, studierte Germanistik in Turin und Freiburg. Von 1978 bis zu seiner Emeritierung 2006 war er Professor für Deutsche Sprache und Literatur in Triest. Bei Hanser erschienen u.a. Donau (Biographie eines Flusses, 1988), Blindlings (Roman, 2007), Ein Nilpferd in Lund (Reisebilder, 2009), Verstehen Sie mich bitte recht (2009), Das Alphabet der Welt (Von Büchern und Menschen, 2011), Die Verschwörung gegen den Sommer (über Moral und Politik, 2013), Verfahren eingestellt (Roman, 2017), Schnappschüsse (2019) und Gekrümmte Zeit in Krems (Erzählungen, 2022). Magris erhielt zahlreiche wichtige Literaturpreise, u.a. 1999 den Premio Strega für Die Welt en gros und en détail, 2001 den Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung und 2006 den Prinz-von-Asturien-Preis. 2009 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und den Essaypreis Charles Veillon. 2012 wurde ihm das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Leseprobe

Um einen Sarg, zwischen Nelkenkränzen und Seidenbändern, stehen Cesare Sofianopulo, Maler und Baudelaire-Übersetzer, der Bildhauer Marcello Mascherini, Professor Baroni, Präsident des Kunstvereins, Professor Campitelli vom Bund der Schönen Künste und ein Priester. DER PRIESTER Uns aber, die wir noch hienieden weilen, schenke deinen Trost durch die Worte des Glaubens... (geht ab) SOFIANOPULO (weist auf die Inschrift der Locanda Paradiso) C'est la Mort qui console, helas!... (Pathetisch) Der Tod ist's, der uns tröstet, ach! und der uns leben macht; er ist des Lebens Ziel und doch die einz'ge Hoffnung, die wie ein Zaubertrank uns stärkt und uns berauscht und uns beherzt macht, bis zum Abend fortzuwandern. MASCHERINI Schön, wirklich schön. Mein Gott, Baudelaire, was für ein Genie! Und auch du, bravo, bravo. Man merkt gar nicht einmal, daß das übersetzt ist, es ist, wie wenn... wie ein... ja, wie... wie sagt man nur... Diese Verse las mir auch Timmel vor, als ich sie ihm nach San Giovanni gebracht hatte, und dann zeichnete er auf der Rückseite seine 'Träume'. SOFIANOPULO 'San Giovanni, welch großartiger Name für ein Irrenhaus', hat er immer wieder gesagt: der Täufer, der die Verkündigung der Wahrheit vorbereitet, und der Lieblingsjünger, der die letzte Wahrheit und das Kommen neuer Himmel voraussagt und einer neuen Erde. Eines neuen Irrenhauses... TIMMEL Ja, Cesare, dort drinnen sahen wir sie schon, die neuen Himmel - große Himmel, große Bilder... wunderbar. MASCHERINI Ihm gefiel alles...Und wie er deinen Baudelaire vorlas. 'Die schönste Übersetzung', sagte er; der Übersetzer sei zwei Dichter in einem. Mein Gott, was heißt 'vorlas', er kam nicht vom Fleck, alles vergaß er... DER GAST Auch die Schoppen zu bezahlen. Und wie viele Schoppen... MASCHERINI Armer Timmel. Was für ein Künstler... und so ein armer Teufel. CAMPITELLI Ja, aber die Freude hat er gefunden. Und den Stern. Er signierte mit einem Stern, und daneben schrieb er 'Freude'. Die Kunst ist der Kometstern, und die Künstler sind die Heiligen Drei Könige auf dem Weg... BARONI (wirft eine Handvoll Erde, das Aufschlagen klingt wie ein Pfropfenknallen, und er vergißt sich einen Augenblick) Gutes neues... (Korrigiert sich) Ja, endlich ein gutes Jahr, Freund; Frieden und Seelenruhe nach soviel Ungemach... MASCHERINI Ein gutes neues Jahr, Freunde, wünsch' ich euch. SOFIANOPULO (wieder pathetisch) Durch Sturm und Schnee und Reif ist er die Helle, die zitternde, auf unserm schwarzen Horizont; er ist die Herberge, die vielgenannte, eingetragene, wo wir uns niederlassen, essen, schlafen können. TIMMEL Gehmmer zu Erminio oder Zu den Spanferkeln... Schweinshaxen, Knackwürste, Prager Schinken. Auch Kohlsuppe, wenn einer will. Nicht für mich, bitte schön. Ich brauch bloß etwas zu trinken. SOFIANOPULO Vivere non necesse est, bibere necesse est. Und er trank pausenlos, einmal brachte er's auf zwölf Liter, direkt aus dem Bronzekrug... Wein zweimal am Tag, zu den Mahlzeiten und zwischen den Mahlzeiten. Aber ausgemalt wie ein Michelangelo hatte er die niedere Hütte, die Königsgaststätte. MASCHERINI Sakrament, ja...die große Wand dort beim Erminio, mit den fetten und schmierigen Stellen, die man noch sehen konnte unter der Malerei. Und was für Farben, du lieber Gott, was für ein großes Gemälde an der Wand dort, der Himmel, die riesigen Türme, die verzweifelten Menschen und die Goldfarben, blutig rot, da hast gar net gwußt, ob dir's ins Herz schneiden tut oder eine Herrlichkeit ist - ganz ein alter Meister. CAMPITELLI Jawohl, zurück zu den Alten, hat er immer gesagt, zur großen Fülle des Dekorativen, zu den Assyrern, zu den Etruskern, zu den Griechen und Römern. So schlecht war er bei Kasse, daß er ein Bild hergeben mußte, um für den Wein zu zahlen, so 'nem Hai von Mäzen, der meinte, er kann ihn tanzen lassen wie einen Bär im Zirkus, und hat doch immer die Sixtina im Mund geführ ... Leseprobe

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