Beschreibung
Spanien stellte viele Jahre einen Sonderfall unter den Ländern dar, denen erst in jüngerer Zeit der Übergang von der Diktatur zur Demokratie gelang. Hier schien sich die "Transition", die Ablösung von den politischen Formen des Franco-Regimes, lange ohne eine öffentliche Auseinandersetzung über die Gewalt der Franco-Diktatur zu vollziehen. Seit der Jahrtausendwende ist jedoch ein wahrhafter Erinnerungsboom zu beobachten, der sich in Forschung, Literatur und Massenmedien ebenso wie in der von zahlreichen Bürgerinitiativen betriebenen Suche nach den bis zu 30.000 "Verschwundenen" des Bürgerkrieges niederschlägt. Welche Erinnerungen an den Bürgerkrieg 1936-1939 und welche Lehren daraus wollen die unterschiedlichen Gruppierungen der spanischen Gesellschaft heute zulassen oder öffentlich zuspitzen? Das Buch spannt den Bogen der Erinnerungsgeschichte von den dreißiger Jahren bis in die unmittelbare Gegenwart. Es beschreibt die propagandistische Ausschlachtung der Vergangenheit unter Franco, deren bewußtes Beschweigen im Übergang zur Demokratie sowie das Entstehen einer zivilgesellschaftlichen Erinnerungsbewegung seit Ende der neunziger Jahre. Neu in der erweiterten und aktualisierten Auflage ist die Beschreibung der seit 2006 sowohl auf regionaler als auch nationaler Ebene fortgesetzten Debatte: In Spanien wird die Erinnerung an den Bürgerkrieg wesentlich beeinflußt vom Konflikt zwischen dem Zentralstaat und den Regionen wie Katalonien und dem Baskenland. Die Auseinandersetzungen über das von den regierenden Sozialisten Ende 2007 in Kraft gesetzte Entschädigungsgesetz für die Opfer des Franquismus werden ebenfalls ausführlich dargestellt.
Inhalt
us dem Inhalt I. Der Bürgerkrieg Zur Vorgeschichte: Problemlagen und Konfliktachsen in der Zweiten Republik (1931-1936) Ausgangskonstellation und Phasen des militärischen Kriegsverlaufs Die ausländische Intervention und die Politik der Nichteinmischung Die innenpolitische Entwicklung in beiden Kriegszonen Die Soziale Revolution: Anarchismus in der Praxis Zur Rolle von Kirche und Kultur II. Die Repression in Krieg und Nachkriegszeit Die Folgen des Bürgerkrieges: Sieger und Besiegte Säuberungen und Massenerschießungen Konzentrationslager, Haftanstalten und Zwangsarbeiter Das Exil der Hunderttausende Herrschaftslegitimation, staatliche Gewalt und Kirche Zur ideologischen Rechtfertigung der Repression III. Das erzwungene Gedächtnis im Franquismus FrancoRegime und Erinnerungspolitik Ikonographie Francos: Der Diktator im öffentlichen Raum Siegesästhetik des Franquismus Das Selbstbildnis Francos: Rasse und Imperium Die Kriegsromane der Sieger und Propagandafilme im Franquismus Die Wochenschau NO-DO: Ideologie und Propaganda IV. Gedächtnisorte des Franquismus Belchite: Ruinen der Erinnerung Der Alcázar von Toledo: Mythos des Kreuzzugs Das "Tal der Gefallenen": Mausoleum der Sieger Zur Topographie des kollektiven Gedächtnisses Der neue Festkalender der Sieger "25 Jahre Frieden": Modernisierungsdiskurs im Spätfranquismus V. Geschichtspolitik im Übergang zur Demokratie, 1975-1980 Verzeihen und Vergeben: die Vorgeschichte der Transition Symbolik und Praxis der Versöhnung: Amnestie und Konsens Zwischen Erinnern und Vergessen: das Spanien der Republik Franquistische Symbolik nach Franco VI. Erinnerungsansprüche der Gesellschaft, 1980-1996 Das Schweigen der Politik und die Sternstunde der Fachhistorie Individuelle und kollektive Erinnerungen: das Gedächtnis der Verlierer Kultur und Erinnerung: zwischen Einklang und Dissonanz VII. Die Rückkehr der Vergangenheit, 1996-2004 Das Ende der Versöhnung: (Re-)Politisierung der Vergangenheit Die Mobilisierung einer kollektiven Erinnerung Bürgerkrieg und Diktatur im Gedächtnis der Generationen Öffentliche Erinnerung: zwischen Sentimentalisierung und Polarisierung VIII. Erinnerungskultur in Spanien: auf dem Weg zur Normalität? Spurenbeseitigung: das Ende franquistischer Erinnerungslandschaften Die Reichweite der Erinnerungsarbeit: Perspektiven seit 2004 Das Baskenland, Katalonien und Spanien: regionale Muster des Erinnerns IX. Nachwort: Erinnerung, Gesellschaft und Demokratie