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Der Vogelmann

eBook - Psychothriller, Die Inspektor-Caffery-Thriller

Erschienen am 28.07.2000, 1. Auflage 2000
Auch erhältlich als:
8,99 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783894805814
Sprache: Deutsch
Umfang: 416 S., 1.88 MB
E-Book
Format: EPUB
DRM: Digitales Wasserzeichen

Beschreibung

Als Detective Inspector Jack Caffery nach durchzechter Nacht seinen Rausch ausschlafen will, klingelt das Telefon: Auf einem Brachgelände in der Nähe der Themse wurden die Leichen von fünf Frauen gefunden. Die Obduktion ergibt, dass Caffery und seine Kollegen es mit einem Serienkiller zu tun haben, den sie den Vogelmann nennen. Vier der fünf Opfer, so zeigen erste Ermittlungen, waren drogenabhängige Prostituierte, die niemand vermisste. Und ihr Mörder scheint schon bald gefasst: Für Cafferys Kollegen Diamond ist klar, dass ein schwarzer Drogendealer die Frauen auf dem Gewissen hat, Polizei und Bevölkerung können aufatmen. Doch Caffery verfolgt eine ganz andere Spur. Gegen den Widerstand seiner Vorgesetzten und obendrein im Kampf mit privaten Problemen ermittelt er weiter. Erinnerungen aus der Kindheit holen ihn ein, Erinnerungen an seinen Bruder, der eines Tages beim Spielen spurlos verschwand und möglicherweise ermordet wurde. Obwohl die beiden Fälle offenbar nichts miteinander zu tun haben, kann Caffery den Gedanken an die damaligen Ereignisse nicht mehr abschütteln. Seine Suche nach dem mysteriösen Vogelmann führt ihn schließlich in das Dog and Bell, ein Pub, in dem die Opfer ihre Freier suchten. Hier lernt Caffery auch die Malerin Becky kennen, die Bilder von den Mädchen im Dog and Bell malt. Caffery ist schon bald von Becky fasziniert, und sie ist es auch, die ihn auf die Fährte des Mörders bringt. Doch dann fehlt von Becky plötzlich jede Spur...

Autorenportrait

Angelika Felenda, geboren 1954 in Nördlingen, hat Geschichte, Philosophie und Germanistik studiert. Sie lebt als literarische Übersetzerin (u.a. Jennifer Donnelly und Mo Hayder) in München. DER EISERNE SOMMER ist ihr erster Roman.

Leseprobe

North Greenwich, Ende Mai. Es war drei Stunden vor Sonnenaufgang, und der Fluß wirkte verlassen. Dunkle Kähne zerrten flußaufwärts an ihrer Vertäuung, und eine Flutwelle hob sanft kleine Schaluppen aus dem Schlamm, in dem sie ruhten. Nebel stieg vom Wasser auf und zog landeinwärts, an unbeleuchteten Läden mit Schiffszubehör vorbei, über den verlassenen Millennium Dome, über einsames Ödland und seltsame Mondlandschaften hinweg - bis er sich schließlich nach einer halben Meile im Inland zwischen dem geisterhaften Räderwerk eines halb aufgegebenen Betonwerks niederließ.
Plötzlich flammten Schweinwerfer auf: Ein Polizeiwagen bog mit geräuschlos blinkendem Blaulicht in die Lieferstraße. Momente später folgten ein zweiter und ein dritter. Während der nächsten Stunde trafen weitere Polizeiwagen auf dem Gelände des Betonwerks ein - acht Streifenwagen, zwei Ford Sierra und der weiße Transitbus des Kamerateams der Gerichtsmedizin. Am Eingang der Lieferstraße wurde eine Sperre errichtet, und Polizisten des zuständigen Reviers wurden abgeordnet, den Zugang von der Flußseite her abzuriegeln. Der erste Kriminalbeamte, der das Gelände betrat, setzte sich sofort mit der Fernsprechzentrale Croydon in Verbindung, um die Funknummern des Area Major Investigation Pools (AMIP) zu erfragen, und fünf Meilen entfernt wurde Detective Inspector Jack Caffery von Team B des AMIP aus dem Schlaf geweckt.
Blinzelnd blieb er ein oder zwei Minuten im Dunkeln liegen, sammelte seine Gedanken und wehrte sich gegen den Drang, wieder einzuschlafen. Dann holte er tief Luft, nahm alle Kraft zusammen, schwang sich aus dem Bett, ging ins Badezimmer, klatschte sich Wasser ins Gesicht und zog sich an - nicht zu gehetzt, besser, man kam vollkommen wach und gelassen an. Jetzt die Krawatte, etwas Zurückhaltendes, kein Glenmorangie mehr während der Bereitschaftswoche, Jack, schwör das jetzt, schwör es, die Leute vom CID, vom Criminal Investigation Department können es nicht leiden, wenn wir toller aussehen als sie, den Piepser und Kaffee, mengenweise Instantkaffee, mit Zucker, aber ohne Milch, keine Milch, und vor allem: Kein Essen, man weiß ja nie, was man sich ansehen muß. Er trank zwei Tassen, fand die Wagenschlüssel in der Tasche seiner Jeans und fuhr, vom Koffein inzwischen hellwach, durch die verlassenen Straßen von Greenwich zum Tatort. Sein Vorgesetzter, Detective Superintendent Steve Maddox, ein kleiner, frühzeitig ergrauter Mann, der, tadellos wie immer, in einen steingrauen Anzug gekleidet war, wartete bereits am Eingang des Betonwerks auf ihn. Maddox ging unter einer einsamen Straßenlaterne auf und ab, spielte mit dem Wagenschlüssel und kaute auf der Innenseite seiner Backe.
Er sah Jacks Wagen heranfahren und ging zu ihm hinüber; er legte den Ellbogen aufs Dach, beugte sich durchs offene Fenster und sagte:
»Ich hoffe, Sie haben noch nicht gefrühstückt.«
Caffery zog die Handbremse an. Er nahm Zigaretten und Tabak von der Ablage. »Großartig. Genau das, was ich hören wollte.«
»Die Leiche dort drin sieht ziemlich übel aus.« Er trat zurück, als Jack aus dem Wagen stieg. »Weiblich, zum Teil eingegraben. Mitten im Niemandsland abgeworfen.«
»Sind Sie schon drinnen gewesen?«
»Nein, nein. Das CID hat mich kurz ins Bild gesetzt. Und, ähm...« Er sah über die Schulter zu einer Gruppe CID-Beamter hinüber. Als er sich wieder umdrehte, fuhr er mit leiser Stimme fort. »Jemand hat eine Autopsie an ihr vorgenommen. Die typische Y-Reißverschlußtechnik.«
Jack hielt inne, die Hand auf die Wagentür gelegt. »Eine Autopsie?«
»Ja.«
»Dann ist sie vermutlich aus einem Pathologielabor hierherspaziert.«
»Ich weiß...«
»Ein Ulk von Medizinstudenten...«
»Ich weiß, ich weiß.« Maddox hob die Hände, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Es fällt eigentlich nicht in unseren Zuständigkeitsbereich, aber hören Sie...« Er sah wieder über die Schulter und beugte sich näher. »Hören Sie, gewöhnlich sind die Leute vom CID Greenwich erste Beamte, der sie in Augenschein genommen hat, nicht sicher war; es ist sein erster Kriminalfall, und er hat ziemliches Muffensausen bekommen.« Er machte mit dem Kopf ein Zeichen in Richtung einer Gruppe von Wagen. »Der Mercedes. Sehen Sie den Mercedes?«
»Ja.« Caffery ging ungerührt weiter. Ein breitschultriger Mann in einem Kamelhaarmantel saß zusammengesunken auf dem Vordersitz und redete erregt auf einen CID-Beamten ein.
»Der Besitzer. Wegen der Jahrtausendfeier wird die ganze Gegend hier aufgemöbelt. Letzte Woche, behauptet er, habe er eine Gruppe von Leuten angeheuert, um das Gelände aufzuräumen. Wahrscheinlich sind sie, ohne es zu wissen, auf das Grab gestoßen, eine Menge schweres Gerät war im Einsatz, und dann, um null Uhr...«
Er blieb am Tor stehen, sie zeigten ihr Ausweise, schrieben sich bei dem Police Constable ein und duckten sich unter dem Absperrband hindurch, das den Tatort abriegelte.
»Und dann um null Uhr heute morgen waren drei junge Burschen hier draußen, die an einer Klebstoffdose rumgeschnüffelt haben, und die sind über sie gestolpert. Sie sind jetzt unten auf dem Revier. Die Koordinationsbeamtin am Tatort wird uns Genaueres sagen. Sie war schon drinnen.«
Detective Sergeant Fiona Quinn, die Einsatzleiterin, die von Scotland Yard geschickt worden war, erwartete sie an einer mit Flutlicht erleuchteten Stelle in der Nähe einer Containerkabine. Sie wirkte in ihrem weißen Plastikoverall wie ein Geist. Ernst zog sie die Kapzuze ab, als sie sich näherten.
Maddox übernahm die Vorstellung.
»Jack, darf ich Ihnen Detective Sergeant Quinn vorstellen. Fiona, das ist mein neuer Detective Inspector, Jack Caffery.«
Caffery näherte sich mit ausgestreckter Hand. »Freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Mich auch, Sir.« Sie streifte die Handschuhe ab und schüttelte Caffery die Hand. »Ihre erste Leiche, nicht wahr?«
»Beim AMIP, ja.«
»Nun, ich wünschte, ich hätte was Hübscheres für Sie. Es sieht nicht besonders erfreulich aus dort drinnen. Überhaupt nicht erfreulich. Irgendwas hat ihr den Schädel gespalten, vermutlich irgendeines der Geräte, die hier im Einsatz waren. Sie liegt auf dem Rücken.« Sie lehnte sich anschaulich mit ausgestreckten Armen und offenem Mund zurück. Im Zwielicht konnte Caffery das Blitzen von Amalgamfüllungen erkennen. »Von der Taille abwärts ist sie unter vorgefertigten Betonteilen begraben, die Umrandung eines Gehsteigs oder dergleichen.«
»Hat sie lange dort gelegen?«
»Nein, nein. Nach grober Schätzung...« Sie zog den Handschuh wieder an und reichte Maddox eine Gesichtsmaske aus Baumwolle. »Weniger als eine Woche; aber zu lange, als daß es Sinn hätte, noch während der Nacht mit der Untersuchung anzufangen. Ich glaube, Sie sollten bis Tagesanbruch warten, bevor Sie den Pathologen aus dem Bett werfen. Er wird Ihnen mehr sagen können, wenn er sie auf dem Seziertisch hatte und die Insektenaktivität überprüft hat. Sie liegt zur Hälfte unter der Erde, halb in einen Müllsack gesteckt, das wird etwas bewirkt haben...«
»Der Pathologe...«, sagte Caffery. »Sind Sie sicher, daß wir einen Pathologen brauchen? Das CID glaubt, es sei eine Autopsie vorgenommen worden.«
»Das stimmt.«
»Und Sie wollen immer noch, daß wir sie uns ansehen?«
»Ja.« Quinns Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. »Ja, ich finde immer noch, daß Sie sie sehen sollten. Wir reden hier nicht von einer professionellen Autopsie.«
Maddox und Caffery sahen sich an. Es enstand eine kurze Pause, dann nickte Jack:
»Also gut. Gehen wir.« Er räusperte sich, nahm die Handschuhe und die Gesichtsmaske, die Quinn ihm reichte, und steckte schnell seine Krawatte ins Hemd. »Also kommen Sie. Wir wollen einen Blick auf die Leiche werfen.«

Ganz nach alter CID-Manier marschierte Caffery trotz übergestreifter Schutzhandschuhe mit den Händen in den Taschen los. Ab und zu verlor er den Lichtstrahl von Detective Quinns Taschenlampe aus dem B Sehen Sie das Ölfaß?« Sie ließ den Lichtstrahl darübergleiten.
»Ja.«

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