Beschreibung
Johann Wolfgang von Goethes Leiden des jungen Werther wurden zu einem Welterfolg. Für Madame de Staël war Werther der Repräsentant der einzig wahren Liebe, Charles de Villers bewunderte dessen "Sehnsucht, Ahndung, Schwärmerei", Stendhal benannte das Phänomen der deutschen Liebe erstmals konkret als "Amour à la Werther qui ouvre l'âme à tous les arts". In dem Wunsch, ihrer Heimat Frankreich ein Modell der Ergänzung oder gar, wie Villers, des Ersatzes vorzuführen, übertrugen diese Autoren das "romantische" Liebeskonzept des Werther auf seinen Schöpfer und die Deutschen.
Susanne Mildner richtet den Blick auf ein bisher kaum wahrgenommenes Phänomen der Liebeskonzeptionen um 1800: Diese wurden jeweils mit Blick auf den Anderen entwickelt. Die Darstellung und Deutung der Liebe wird zu einer Art Streitpunkt im Austausch deutscher und französischer Autoren. Die bei diesem "geistigen Handelsverkehr" auftretenden, aus Stereotypen der Fremdwahrnehmung resultierenden Missverständnisse sind wesentlicher Teil der Interaktion. Indem Goethe, Villers, de Staël und Stendhal die Images zwar aufnehmen, aber unterlaufen, stellen sie Liebe viel komplexer dar, als eine oberflächliche Betrachtung des Nationalitätendiskurses vermuten lässt. Liebe geht in nationalen Stereotypen nicht auf. Zwar stellen sie eine Möglichkeit der Wahrnehmung von Identität dar, stoßen vor diesem Phänomen jedoch an ihre Grenzen.
Autorenportrait
Die Autorin Susanne Mildner, geb. 1980, studierte an der Universität Potsdam Germanistik und promovierte an der Universität Potsdam und der Université Sorbonne Nouvelle Paris III. Für die vorliegende Arbeit erhielt sie den Potsdamer Nachwuchswissenschaftler-Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Veröffentlichungen u.a.: (Des)Illusionen in Weimar De Staëls Begegnung mit "Werther". In: Jahrbuch für Internationale Germanistik (2012); Konstruktionen der Femme fatale: Die Lulu-Figur bei Wedekind und Pabst (2007)
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