Beschreibung
'Rogers beschreitet den Weg einer tiefgreifenden Öffnung auf der Suche nach Erkenntnis über den Menschen. Für ihn ist der Mensch ein Wesen, das kämpft, um sich zu entfalten, das lernt, um Person zu werden. Rogers hat die Behauptung aufgestellt, daß der Patient sich selbst steuern kann und volle Achtung verdient; er hat entdeckt, daß jeder Mensch zum Lernen fähig ist, wenn nur günstige Bedingungen vorhanden sind, und er hat die These aufgestellt, daß die eheliche Beziehung ebenso viele Formen annehmen kann, wie es Paare gibt.' Rachel L. Rosenberg
Autorenportrait
Carl R. Rogers wurde 1902 in Oak Park, USA, geboren. Er war Schüler von Otto Rank, hat sich aber von der Psychoanalyse abgewandt und eine eigene therapeutische Richtung entwickelt: die Gesprächspsychotherapie. Er war Professor für Psychologie an der University of Chicago und am Center for Studies of the Person. 1975 erhielt er den Ehrendoktor der Universität Hamburg. Carl Rogers starb im Alter von 85 Jahren in New York.
Leseprobe
Statt eines Vorwortes zur Neuauflage: Vorgespräche Seiner Zeit weit vorausahnend, hat uns Carl Rogers wichtige Orientierungshilfen zur Suche "globaler Werte" gegeben, so auch in diesem Buch - gesellschaftlicher Werte, wie sie in Politik, Wirtschaft, Bildung und Gesundheitswesen zur Anwendung kommen und für uns förderliche Lebensbedingungen schaffen sollen. Mir selbst ist Carl Rogers als noch immer wirksamer Lehrer und naher Förderer meines persönlichen und beruflichen Lebensweges präsent, und ich bleibe ihm in tiefer Dankbarkeit verbunden. Dieses Buch entstand auf die Initiative Rachel Rosenbergs hin, einer damaligen Mitarbeiterin von Carl Rogers, und erschien zuerst in Brasilien. Rachel Rosenberg war Psychologin und lehrte an der Universidade de São Paulo. Sie hat den Personzentrierten Weg zu Menschen (Person-Centered Approach, PCA) in Brasilien weit über den universitären Bereich hinaus sehr wirkungsvoll vertreten. Beide, Carl Rogers und Rachel Rosenberg, sind im Jahre 1987 verstorben und haben uns mit ihrem Werk Bedeutendes hinterlassen, das in unterschiedlichen Bereichen weiterwirkt. Daß ein Therapeut nicht nur das Individuum und seinen Rhythmus respektiert, sondern "auch die Grenzen und Richtungen, die dieses Individuum möglicherweise sucht, als terra incognita betrachtet", ist Rachel Rosenbergs bleibendes Anliegen. Ich glaube, es entspricht kaum Carl Rogers' Wunsch, für ihn ein Vorwort im herkömmlichen Sinne zu schreiben. Deshalb habe ich, bemüht um ein empathisches Vorgehen, Gespräche mit Menschen geführt, die Carl Rogers und seine Forschungsarbeiten kennen und schätzen. Reinhard Tausch, Professor an der Universität Hamburg und Psychotherapeut in Stuttgart, hat in den sechziger Jahren durch Carl Rogers den Personbezogenen Weg (PCA) kennengelernt. Er hat ihn in Deutschland eingeführt, bis heute durch empirische Forschungen weiterentwickelt und seine Wirksamkeit bestätigt. Nach Reinhard Tauschs Erfahrung stehen bei Gesprächen, Begegnungen oder Gedanken häufig ökonomische, finanzielle, praktisch-technische Betrachtungsweisen und Fragen im Vordergrund. Viele Gespräche und Begegnungen sind eher unpersönlich. Gefühle und Gedanken sind gleichsam hinter einer Fassade, einer Funktion oder einer Rolle verborgen. Die Entfaltung der Persönlichkeit wird deformiert. Der Mensch steht wenig im Mittelpunkt. Wie können sich Menschen persönlich bedeutsam weiterentwickeln? Welches sind die für das seelische Wachstum günstigen, förderlichen Bedingungen? Hier gibt Carl Rogers einen klaren Überblick über die wesentlichen Befunde, die für seine Psychotherapie und seine Arbeit mit Menschen bedeutsam und entscheidend sind. Faszinierend ist auch das Kapitel 3 über Einfühlung, über das Bemühen, wesentliche seelische Vorgänge bei einem anderen verstehen zu wollen. Das ist ein Kernstück der Lebensarbeit von Carl Rogers. Seine zunächst in der Psychotherapie und personzentrierten Beratung ausgewiesenen förderlichen Haltungen des Beraters oder Psychotherapeuten, einfühlendes Verstehen der Vorgänge des Klienten, Achtung und Wärme sowie Echtheit des Beraters oder Psychotherapeuten, sind in den nachfolgenden Jahrzehnten von ihm und seinen Mitarbeitern als wirksam nachgewiesen worden. Sie haben sich auch als die entscheidenden bedeutsamen Haltungen in anderen zwischenmenschlichen Kontakten herausgestellt, so in der Partnerschaft, in der Beziehung von Lehrern zu Schülern und zwischen Arzt und Patient. Der Wunsch und das Bemühen von Carl Rogers ist es, daß sich Menschen mehr in dieser Form von Einfühlung, Wertschätzung und Aufrichtigkeit im alltäglichen Leben begegnen, im Beruf und entscheidenderweise auch in der Politik. Es sind gleichsam universelle, allgemeingültige Bedingungen zwischenmenschlicher Beziehungen. Zum einen gibt das Buch entdeckungsreiche Einblicke in den Lebensweg der persönlichen Entwicklung und der wissenschaftlichen Arbeit von Carl Rogers. Andererseits zeigt es, bei vielen Erfolgen und weitverbreitetem internationalem Ansehen des Personzentrierten Weges, die Schwierigkeiten und Mühseligkeiten. Das leicht lesbare Buch, interessant und stimulierend geschrieben, ist von hohem Wert für diejenigen Menschen, die die Persönlichkeit bei anderen fördern möchten, sei es im Beruf oder in der privaten Sphäre, sowie für diejenigen, die ihre eigene Persönlichkeit weiterentwickeln wollen. Keine Phrasen sind in dem Buch zu finden, sondern über Jahrzehnte untersuchte und überprüfte Annahmen des realen Geschehens. Ein Weg der persönlichen Entwicklung ist die Öffnung gegenüber verständnisvollen Mitmenschen. Sie ermöglicht die Selbstauseinandersetzung, die Erforschung der eigenen Person: Wer bin ich? Verhalte ich mich angemessen? Was kann ich an mir ändern? Selbstöffnung und Selbstwahrnehmung, im Gespräch mit sich selbst, sind günstige Möglichkeiten zur persönlichen Fortentwicklung, Selbstbestimmung und Selbststeuerung. Insbesondere die Kapitel 2 und 7 in diesem Buch sind von hoher wissenschaftlicher Aktualität. Die derzeitigen Erkenntnisse der Neurobiologie führen uns über ein nachvollziehbares Erklärungsmodell zu einer ordnenden, multidisziplinären Sichtweise von Emotionen, Gefühlen, Kognitionen und Motivationen. Biologie verstehe ich im ursprünglichen Sinne als die Lehre vom Leben. Die Forschungen, besonders die von Damasio und Roth, gelangten zu ähnlichen Ergebnissen über den Menschen, wie sie Carl Rogers in seiner Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen und in seinen folgenden Arbeiten beschrieben hat. Langsam beginnen Psychotherapie und Neurobiologie sich wahrzunehmen, und es gibt gute Gründe, die Frage von Carl Rogers: "Mut zu einer Wissenschaft vom Menschen?" mit einer multidisziplinären und neuropsychotherapeutischen Forschung zu beantworten. Neuropsychotherapie darf sich dabei nicht auf eine Gehirnpsychotherapie mit Hirnstoffwechselstörungen und auf neuronale Abläufe reduzieren. Der Personzentrierte Weg (PCA) zum Menschen in seinen psychosozialen und spirituellen Bezügen wird mit allen neuen Erkenntnissen der Forschung auch weiterhin eine kunstvolle Wissenschaft bleiben.