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Sechs silberne Saiten

Eine Weihnachtsgeschichte

Erschienen am 06.10.2008
Auch erhältlich als:
7,95 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783453406223
Sprache: Deutsch
Umfang: 96 S., Durchgehend farbig illustriert
Format (T/L/B): 0.8 x 18.8 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Wenn der Weihnachtsmann sich der Schwachen erbarmt Holger ist nicht mehr ganz jung, aber er braucht als abgebrochener Student das Geld noch immer. Deshalb verdingt er sich, angetan mit rotem Wams, Perücke und Bart, im Supermarkt als Weihnachtsmann. In Frank Goosens unnachahmlicher Weihnachtsgeschichte spielt der Nikolaus Gitarre und macht aus einsamen Menschen eine glückliche Familie. Durchgehend vierfarbig illustriert.

Autorenportrait

Frank Goosen, geboren 1966 in Bochum, hat sich Ruhm und Ehre als eine Hälfte des Kabarett-Duos Tresenlesen erworben. Sein Durchbruch war der Roman Liegen lernen, der lange auf den Bestsellerlisten stand und auch erfolgreich verfilmt wurde. 2003 erhielt Frank Goosen den Literaturpreis Ruhrgebiet. Mit seinen Kabarettprogrammen tourt er regelmäßig durch Deutschland. Mit dem Ruhrpott-Geschichtenband Radio Heimat gelang Frank Goosen der Sprung in die Top-10 der Bestsellerlisten. Mit seiner Frau und zwei hoffnungsvollen Nachwuchskickern wohnt er in Bochum.

Leseprobe

Er war nicht mehr ganz jung, brauchte das Geld aber noch immer. Der Bart juckte, und der Bauch verrutschte ständig, so dass es manchmal aussah, als habe Holger ein riesiges Geschwür an der Hüfte oder direkt unter dem Kinn. Nur noch heute, nur noch ein paar Minuten. Es war der Morgen des 24. Dezember. Seit drei Wochen gab er hier am Eingang des großen Supermarktes den Weihnachtsmann. Er saß auf einem Holzstuhl mit hoher Lehne, auf die Elchgeweihe geklebt waren. Um ihn herum Kunstschnee, der mittlerweile nicht nur an den Rändern schwarz geworden war. Erwachsene Frauen und Männer, die ihre Kinder auf ihn hetzten: "Ja, schau mal, da ist ja der Weihnachtsmann! Und was für einen Bart der hat! Geh doch mal hin und sag ihm, was du dir zu Weihnachten wünschst!" Heute waren sie alle besonders nervös. Noch schnell etwas einkaufen für die Feiertage! Die letzten, wirklich allerletzten Geschenke besorgen! Holger fragte sich, was das für Geschenke waren, die man sich im Supermarkt beschaffte, aber tatsächlich kamen nicht wenige Leute an ihm vorbei, die kleine und große Weihnachtspäckchen schleppten. Verschenkten die Wurst? Oder Nudeln? Reis? Es war fünf vor elf. Um elf hatte er Feierabend. Und dann? Das erste Weihnachtsfest, das er komplett allein verbringen würde. Der Wetterbericht hatte vage Hoffnungen auf weiße Weihnachten gemacht, doch was da aus den Wolken kam, war ein besonders fieser Mix aus Schnee und Regen. Es herrschte die Art von feuchter Kälte, die Kleidung, Haut und Knochen durchdrang. Ein gutes Dutzend Kinder war heute schon bei ihm gewesen. Einige hatten mit großen Augen und offenem Mund vor ihm gestanden und kein Wort herausgekriegt. Andere hatten ihre Wünsche heruntergerattert wie auswendig gelernt. Wieder andere wollten alles gleich mit nach Hause nehmen. Immer wenn die automatischen Türen des Supermarktes auseinander glitten, drang etwas von der weihnachtlichen Musikberieselung nach draußen - ein industriell gefertigtes Potpourri der bekanntesten Klassiker von Stille Nacht über Süßer die Glocken bis hin zu Jingle Bells und White Christmas, alles unterlegt mit dem ewig gleichen Beat. Hatte Weihnachten sich schlecht benommen oder wieso wurde es mit dieser Musik bestraft? Ein silberner, altersschwacher Golf bog auf den Parkplatz ein. Vorne saß eine Frau, hinten ein etwa zehnjähriger Junge, der Holger anstarrte wie etwas, vor dem man sich ekeln muss. Die Frau bugsierte den Wagen in eine der sehr engen Parkboxen und nach einem kurzen, aber offenbar heftigen Wortwechsel, den Holger durch die Heckscheibe beobachtete, stiegen die beiden aus. Die Frau trug einen langen, braunen Mantel aus Wildlederimitat, mit einer fellbesetzten Kapuze, die fast bis auf ihre Nase reichte. Holger fragte sich, wie die Frau navigierte, da ihr offenbar jede Sicht genommen war. Trotzdem steuerte sie zielstrebig auf ihn zu. "Schau mal, Dennis!", kam es aus dem breiten, mit glänzendem Lippenstift verzierten Mund unterhalb des Fellrandes. "Das ist der Weihnachtsmann! Und was für einen Bart der hat! Geh doch mal hin und sag ihm, was du dir zu Weihnachten wünschst!" Ein schöner Mund, dachte Holger. Wäre nicht uninteressant, den Rest der Frau zu sehen. Dennis trug einen gelben Daunenanorak und eine schwarze Baseballmütze. Er hatte dichte, dunkle Brauen und braune Augen. Seine Schneidezähne hielten seine Unterlippe gefangen und über seiner Nasenwurzel stand eine steile Falte. "Will nicht!" "Ach geh doch mal! Das ist doch toll, wenn man mal mit dem Weihnachtsmann sprechen kann!" Auch ihre Stimme war sehr angenehm. Volltönend und dunkel. Widerwillig kam der Junge ein paar Schritte näher. Holger nickte ihm beruhigend zu und streckte die Hand aus. "Ho, ho, ho!", machte er. "Du musst der Dennis sein!" "Huch", rief die Mutter, "woher weiß der Weihnachtsmann DAS denn?" "Du hast es gerade laut und deutlich gesagt, Mama!" Dennis kam näher. So schüchtern, wie er tat, war er gar nicht, denn im nächsten Moment setzte er sich bei Holger auf den Schoß. Das Leseprobe

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