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Von Ratlosen und Löwenherzen

Eine kurzweilige, aber nützliche Geschichte des englischen Mittelalters

Erschienen am 12.08.2008
Auch erhältlich als:
19,95 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783431037555
Sprache: Deutsch
Umfang: 237 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 22 x 14.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Schluss mit dem Mythos über die düstere Zeit willkürlicher Kriege, blutrünstiger Hexenverfolgungen und hygienischer Katastrophen - her mit dem Mittelalter, wie es auch war. In ihrem ersten Sachbuch erzählt uns die Bestsellerautorin Rebecca Gablé die Geschichte des englischen Mittelalters neu: kompetent und informativ, herrlich farbenprächtig und mitreißend wie ein Roman - und immer mit einem Schmunzeln. Lesen Sie, wie die Wikinger in Ermangelung anderer Hobbys England eroberten - unabsichtlich unterstützt vom englischen König Æthelred, dessen Ruf seitdem ruiniert ist. Erleben Sie mit, wie Jahrhunderte später Eleanor von Aquitanien die Bühne betritt, eine der "unterhaltsamsten und wunderbarsten Skandalnudeln, die je auf Englands Thron gesessen haben". Und erfahren Sie, warum Thomas Becket, Sohn eines Einwanderers, der es zum steinreichen Immobilienspekulanten gebracht hatte, unter der erlesenen Garderobe stets ein Gewand aus kratzigem Ziegenhaar trug. Neugierig geworden? Dann lesen Sie los!

Leseprobe

Das englische Mittelalter begann mit einer Standortaufgabe: Um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert war das römische Imperium von so vielen Feinden bedroht, dass es sich gezwungen sah, seine schöne, nebelverhangene Inselprovinz Britannia aufzugeben. Vielleicht war der damalige Kaiser Honorius insgeheim ganz froh, dieses entlegene Abschreibungsobjekt loszuwerden, denn Britannia hatte den Römern viel Ärger beschert: Die ersten beiden Versuche unter Julius Caesar, Britannien zu erobern, waren 55 und 54 vor Christus ziemlich kläglich gescheitert, weil bei der Überfahrt zu viele Schiffe – mitsamt lebender Fracht – verloren gingen und die Insulaner unerwartet heftigen Widerstand leisteten. Erst rund hundert Jahre später wagten die Römer im Jahr 43 n. Chr. in der Zeit des Kaisers Claudius einen neuen Versuch, und dieses Mal gelang es, längerfristig in Britannien Fuß zu fassen. Etwa der Teil der Insel, der heute England heißt, wurde römische Provinz. Vor allem der Süden erlebte eine kulturelle und wirtschaftliche Blüte, die nicht nur in den Ruinen von Bädern und Aquädukten bis heute ihre Spuren hinterlassen hat: Wenn man mit dem Auto von London nach Canterbury fährt, folgt man immer noch ziemlich genau der Straße, die die Römer angelegt haben. Apropos London: Es war die größte Handelsmetropole der Provinz Britannia und zählte rund 25 000 Einwohner. Doch, wie gesagt, die Freude der Römer an dieser blühenden Provinz, die ihnen vor allem Blei und Silber bescherte, war nie ungetrübt. Allen voran die wilden Pikten – die keltischen Bewohner des heutigen Schottlands – fielen so oft in Britannia ein, dass die Römer sich genötigt sahen, eine gewaltige Wehrmauer, den »Hadrianswall«, zu bauen, um sie fernzuhalten. Später heuerten sie gelegentlich auch sächsische Söldnerhorden an, um die Pikten quasi mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Aber rund dreihundert Jahre nach der Besatzung hatten die Römer zu Hause erdrückende Sorgen, weil unter anderem auch die Vandalen jetzt hin und wieder in Rom und seinen südeuropäischen Provinzen vorbeischauten, und wie der Name schon erahnen lässt, waren sie keine besonders netten oder willkommenen Besucher. Also segelten die Römer heim. Die britischen Kelten blieben sich somit selbst überlassen, und vielleicht sollte man meinen, dass sie den römischen Imperialisten keine Träne nachweinten, aber ganz so war es nicht. Viele von ihnen – vor allem die einheimische Aristokratie – hatten Geschmack an römischer Lebensart und der hoch gerühmten römischen Kultur gefunden. Sie sprachen Latein, besuchten römische Bäder und Theater und hatten sich der neuen römischen Staatsreligion – dem Christentum – zugewandt. Sie fühlten sich im Stich gelassen, teilten das Land dennoch unverdrossen unter sich auf und versuchten, die Verwaltung, die öffentliche Ordnung und die Verteidigung aufrechtzuerhalten. Aber natürlich hatte der Abzug der Römer und vor allem ihrer Legionen ein Machtvakuum hinterlassen. Die bereits erwähnten Pikten aus Schottland und die kaum weniger wilden Scoten aus Irland (verwirrend, ich weiß) witterten nach dem Abflug der römischen Adler ihre Chance und unternahmen neue Überfälle auf ihre Nachbarn. Die Briten mussten bald feststellen, dass sie allein nicht mit ihnen fertig wurden, und taten das, was die Römer ihnen vorgemacht hatten: Sie engagierten germanische Söldnerverbände, um die Pikten und Scoten zu vertreiben. Und damit kommen wir zur ersten von vielen fatalen Fehlentscheidungen, denen Sie in diesem Buch begegnen werden. Diese germanischen Söldner – die aus dem heutigen Norddeutschland stammten und von den Briten als »Sachsen« bezeichnet wurden – vertrieben zwar die einfallenden Aggressoren, weigerten sich dann aber, wieder nach Hause zu gehen. Sie fanden das Land fruchtbar, das Klima mild, die Einheimischen uneins und nicht besonders wehrhaft. Etwa um das Jahr 450 begannen sie, ihre Frauen, Kinder, Brüder und sonstige Sippschaft zu holen und eigene Herrschaftsgebiete zu gründen. Das war der Beginn der sächsischen Besiedlung – was den Sachsen klar gewesen sein dürfte – und ebenso der Beginn des englischen Mittelalters – was ihnen eher unklar gewesen sein dürfte. Und was mag es für ein Land gewesen sein, das sie vorfanden? Auf jeden Fall war es wilder, als wir uns das ohne Mühe vorstellen können. Schätzungsweise achtzig Prozent seiner Fläche waren von dichten Wäldern bedeckt, die neben allen heute noch verbreiteten Wildarten auch von Wölfen und Braunbären bevölkert waren. Wenn jemand in den Wald ging, war es keine Selbstverständlichkeit, dass er auch wieder herauskam. Wo kein Wald war, lag Marschland, das teilweise sehr sumpfig war, sodass gerade die Flussniederungen oft unbewohnbar waren. In all dieser ungezähmten Wildnis fand sich hier und da eine Siedlung, wo die Bauern nicht nur dem Boden die Ernte, sondern auch dem Wald den Boden abringen mussten. Außer London und York gab es kaum nennenswerte Städte, und selbst diese boten ein eher dörfliches Bild mit Gemüsebeeten und Obstbäumen an den Häusern und mehr Schweinen und Hühnern als Fuhrwerken auf den schlammigen Straßen. Kein lieblicher Garten Eden also, und trotzdem siedelten die Sachsen in diesem Land. Ihnen folgten ein paar Jüten, ein paar Friesen und viele Angeln, und diese germanische Heimsuchung wurde bald die »Angelsachsen« genannt. Wie Wölfe in den Schafspferch habe man sie ins Land gelassen, schrieb ein Chronist.

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