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Die Schleusen des Himmels - Cover

Die Schleusen des Himmels

Erschienen am 08.01.2020
10,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783963621277
Sprache: Deutsch
Umfang: 316 S.
Format (T/L/B): 3.4 x 21.3 x 14.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Joseph Brooks lebt zurückgezogen in einer Hütte fernab der Zivilisation - bis eine Einwandererfamilie auf der Flucht ihn dazu bringt, seine Deckung zu verlassen. Unerwartet führt die Reise mit seinen neuen Schützlingen ihn nach Cape San Blas, den Ort seiner Kindheit. Als er erfährt, dass seine Jugendliebe Allie gerade ihren zweiten Mann verloren hat, kann er nicht anders, als nach ihr zu sehen. Er bietet ihr seine Hilfe beim Wiederaufbau des Restaurants ihrer Eltern an. Doch vieles steht zwischen ihnen, nicht zuletzt ein fünfundvierzig Jahre lang gehütetes Geheimnis, das nicht nur Josephs und Allies Leben tief erschüttert hat ...

Leseprobe

Kapitel 1 Gegenwart Zeugenaussagen zufolge fand der Anruf gegen sieben Uhr abends statt und das Telefonat war hitzig. Während der Mann in der Fernfahrerkneipe nach außen hin ruhig blieb, hörte sich die Stimme der Frau am anderen Ende der Leitung ganz anders an. Im Hintergrund konnte man hören, wie Dinge zerbrachen. Sieben der neun Gäste in der Kneipe, darunter auch die Kellnerin, gaben an, dass Jake Gibson mehrfach versuchte, mit ihr zu diskutieren, aber sie ihm jedes Mal das Wort abschnitt. Er hörte zu, nickte, rückte seine Baseballkappe zurecht und versuchte, auch einmal zu Wort zu kommen. »Allie. mein Schatz, ich weiß, aber. bitte lass mich doch. Tut mir leid, aber. Ich fahre jetzt seit zweiundvierzig Stunden. Ich.« Er rieb sich das Gesicht. »Ich bin völlig am Ende.« Eine gute Minute verging, während er versuchte, ihr unzusammenhängendes Gezeter zu unterbrechen. »Ich weiß, das ist heftig und du hast wirklich viel investiert, um.« Wieder stockte er. Noch ein Nicken. Er rieb sich die Augen. »Einladungen. Dekoration. Lichtanlage. Ja, ich weiß, wie teuer die Band war. Aber.« Er nahm die Kappe ab und rieb sich über die Glatze. »Ich wurde in Flagstaff umgeleitet und das hat mir einfach den Rest gegeben.« Er schloss die Augen. »Süße, ich kann nicht kommen. Nicht heute Nacht noch. Ich mache dir ein schönes Rührei morgen fr« Allie Gibson hörte gar nicht zu und brüllte ihn weiter an. Ihre Ehe war in Schieflage geraten und sie hatten sich eine Auszeit genommen. Sechs Monate lang. Er war ausgezogen und hatte praktisch in der Fahrerkabine seines Lkws gewohnt. War kreuz und quer durchs Land gefahren. Die Zeit und die Entfernung hatten ihnen gutgetan. Sie hatte nachgedacht. Abgenommen. Pilates gemacht. Neue Unterwäsche gekauft. Die Feier sollte seine Geburtstags- und Willkommensparty werden. Mit ein bisschen Neuanfang als Dekoration. Die Kneipe war klein und Jake wurde die Sache immer peinlicher. Er hielt den Hörer vom Ohr weg und wartete, bis sie fertig war. Allie war seine erste Ehefrau. Zehn Jahre waren sie schon verheiratet. Er war ihr zweiter Mann. Ihre Nachbarn hatten versucht, ihn zu warnen. »Der andere ist nicht ohne Grund gegangen«, hatten sie gemurmelt und nicht ohne Grund betont. Jake hatte keine Chance, sich von Allie zu verabschieden. Sie ließ eine Ladung Schimpfwörter vom Stapel, dann war es still. Jake saß da und wartete betreten. Er fragte sich, ob sie aufgelegt hatte. Die Kellnerin kam mit der Kaffeekanne und Sehnsucht im Blick. Er sah nicht schlecht aus. Nicht gerade wie ein Model, aber sie hatte schon üblere Typen gesehen. Viel üblere. Seine Miene war freundlich und einladend und seinen Schuhen und Händen nach zu urteilen hatte er nichts gegen harte Arbeit. Sie würde sofort mit Allie tauschen. »Noch Kaffee, mein Lieber?« Sie sprach »Kaffee« seltsam lang gezogen aus. Bevor er antworten konnte, ertönte ein Tuten und verkündete, dass Allie tatsächlich aufgelegt hatte. Es war ihm sichtlich unangenehm. »Tut mir leid«, sagte er halblaut in die Runde, beugte sich über die Theke und hängte den Hörer wieder ein. Dann dankte er der Kellnerin. Sein Steak blieb unberührt. Er füllte seine Thermoskanne mit Kaffee auf, ließ einen Zwanziger auf dem Tisch, um seine Rechnung von sieben Dollar zu begleichen, und ging leise hinaus. Auf dem Weg machte er einem älteren Paar Platz, das gerade hereingekommen war. Er verließ die Kneipe mit dem typischen Klacken seines Gehstocks, den er einer Verletzung durch einen Granat- splitter verdankte, die nie verheilt war. Er tankte und bezahlte an der Kasse, nahm noch vier Packungen Koffeinkapseln mit, ging zur Toilette und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Die Polizei, die achtundvierzig Stunden später die Aufnahmen der Überwachungskameras auswertete, sah schweigend zu, wie Jake zwanzig Hampelmänner und genauso viele Liegestütze machte, bevor er wieder in die Fahrerkabine kletterte. In den letzten zweieinhalb Tagen war er von Arizona bis nach Texas und schließlich nach Mississippi gefahren, wo er einen Tanklastzug auf dem Weg nach Miami übernommen hatte. Er hatte versucht, es noch zur Feier anlässlich seines sechzigsten Geburtstags zu schaffen, war aber an seine Grenzen gekommen. Seine Lider waren immer schwerer geworden. Als noch etwas über hundertfünfzig Kilometer zu fahren waren, hatte er Allie angerufen, um ihr Bescheid zu geben, dass er bereits zweimal fast am Steuer eingeschlafen war und es leider nicht schaffen würde. Sie hatte die Neuigkeit nicht gut aufgefasst. Er sah noch einmal zum Motel hinüber, aber ihre zornigen Worte ließen ihn nicht los. Er wusste, sie würde es ihm ewig nachtragen, wenn er wegblieb. Also setzte der gutmütige Jake Gibson sich wieder hinters Steuer und drückte das Gaspedal durch. Es sollte das letzte Mal sein. Jake arbeitete sich nach Süden bis zur 98 vor. Er fuhr an der Küste entlang und passierte schließlich Mexiko Beach in Richtung Apalachicola. Bei der 30E bog er gen Westen ab. Noch zehn Kilometer, bis er in Allies Arme sinken konnte. Er drückte aufs Gas seines Sattelschleppers und schaltete alle zehn Gänge durch. Obwohl er diese Straße schon Hunderte Mal gefahren sein musste, war es im Nachhinein unverständlich, warum er so schnell gefahren war und die gelben Blinklichter und die sieben Rüttelschwellenbereiche auf der schmalen Straße ignoriert hatte. Wer so viel Erfahrung hatte wie er, wusste eigentlich, dass ein Fahrzeug mit dieser Geschwindigkeit, Masse und Trägheit die Kurve niemals schaffen konnte. Die Autobahnpolizei schätzte, dass der Tanklastzug auf über einhundertsiebzig Kilometer pro Stunde beschleunigt hatte, als er in die enge Kurve einfuhr. Hier, wo die Halbinsel am schmalsten ist, kommt die Straße dem Meer am nächsten. Um die beiden voneinander zu trennen, hatte der Straßenbetriebsdienst unzählige wagengroße Granitblöcke links von der Straße aufgetürmt. Hunderte von ihnen, tonnenschwer, kreuz und quer übereinandergestapelt, lagen teils sechs Meter hoch auf fast zehn Metern Breite. Eine unüberwindbare Mauer, die den Golf von Mexiko davon abhielt, sich die Straße einzuverleiben, und die Straße davon, ins Meer abzudriften. »The Rocks« war ein Lieblingsort von Liebespaaren, um genüsslich Wein zu trinken, Hand in Hand über die Blöcke zu klettern und die Pelikane zu beobachten, wenn die Sonne den Himmel in ein Spektakel aus Farben verwandelte und ihre letzten Strahlen übers Wasser schickte. Die Chinesische Mauer von Cape San Blas hatte schon viele Hurrikane und Hunderttausende am Strand flanierende Touristen überlebt. Wann Jake Gibson einschlief, konnte nicht rekonstruiert werden. Nur, dass er es tat. Kurz vor zweiundzwanzig Uhr krachte der Peterbilt in die Mauer. Die Front des Lkw rammte den Granit wie die Titanic den Eisberg. Als die Steine hinter Jake den Tankbehälter aufrissen, konnte man die Explosion noch fast fünfzig Kilometer entfernt in Apalachicola hören und spüren. Der Lichtblitz war noch in Tallahassee - hundertdreißig Kilometer vom Unfallort - zu sehen. Alarme heulten los und Feuerwehr und Polizei wurden entsandt, aber wegen der starken Hitzeentwicklung mussten sie sich darauf beschränken, die Straße in acht Footballfeldern Entfernung zu sperren. Niemand durfte näher heran. Sie konnten nur zusehen, wie alles niederbrannte. Nur fünf Kilometer entfernt saß Allie mit einer Dreiviertelliterflasche Jack Daniels auf dem Boden in der Damentoilette. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht und tropften auf die weißen Fliesen. Als sie den Feuerball gesehen hatte, hatte sie es gewusst. Die Hitze war so stark, dass Allie und alle anderen Partygäste gezwungen waren, außerhalb der Sperrzone hilflos zu warten, den Geruch von brennendem Gummi in den Nasen. Sie blieben die ganze Nacht dort. Am frühen Morgen war das Feuer so weit heruntergebrannt, dass die Löschfahrzeuge vorfahren konnten. Viel war nicht mehr übrig. Einige Stahlträger. Ein Rad war abgesprungen und eine Viertelmeile weiter in den Sumpf gerollt. Die Rückseite des Tankbehälters sah aus ...

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