Beschreibung
Während des Zweiten Weltkriegs war Judith Shklars Familie über Schweden und Japan nach Kanada geflohen. Später unterrichtete Shklar in Harvard bis zu ihrer Emeritierung politische Philosophie. In ihrem letzten Projekt kehrte sie zu ihrer Kindheitserfahrung zurück und untersuchte die Grundgegebenheiten des Exils und die Situation von Exilanten. Als wesentliches Unterscheidungsmerkmal aller Flüchtlinge, egal, ob Wirtschafts-, Kriegsoder politische Flüchtlinge machte sie das Verhältnis von Loyalität und Verpflichtung aus: Ist 'Loyalität' eine affektive Bindung an eine Gruppe, ein Land oder eine Idee, so ist 'Verpflichtung' eher an die Logik von Regeln und Gesetzen gebunden. Will man über Flüchtlinge und ihre Situation sprechen, so muss man laut Shklar über das Problem der 'geteilten Loyalität' nachdenken. Der Geflüchtete ist in beiden Welten nicht zu Hause: Behält er einerseits noch Loyalität zu seiner alten Heimat, so hat er das Gefühl der Verpflichtung dieser alten Heimat gegenüber verloren, reziprok gilt das für die neue Heimat. Das zwangsläufig in politische Probleme führende Dilemma lösen laut Shklar am ehesten rechtliche Verpflichtungen in der neuen Heimat.
Autorenportrait
Judith N. Shklar, 1928 in Riga geboren, lehrte Politikwissenschaften an der Harvard University und starb 1992 in Cambridge, Massachusetts. Die Relevanz ihres Werks findet erst in den letzten Jahren Anerkennung. Ihr Essay Der Liberalismus der Furcht gilt inzwischen als Klassiker der jüngeren politischen Philosophie und als Schlüsseltext der Liberalismustheorie. Hannes Bajohr ist Philosoph und Literaturwissenschaftler und derzeit Postdoc am Seminar für Medienwissenschaft der Universität Basel. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Ideengeschichte, politischer Philosophie und Theorien des Digitalen. Zuletzt erschien im August Verlag: Schreibenlassen. Texte zur Literatur im Digitalen (2022).