Beschreibung
Die Forderung nach einer intensiveren Beteiligung von Kindern und Jugendlichen tritt laut Pluto immer mehr in den Vordergrund, da die Heranwachsenden die Gesellschaft der Zukunft sind (vgl. Pluto, 2007: 9). Partizipation gilt als Schlüssel dafür, dass junge Menschen soziale, kulturelle und politische Grunderfahrungen machen und dadurch befähigt werden, ihre Zukunft unabhängig und selbstbewusst mitzugestalten. Eine nachhaltige Demokratieentwicklung sowie die Schaffung individueller Bildungschancen sind dabei ebenso zentral, wie die Förderung sozialer Integration (vgl. Fatke/Schneider/Meinhold-Henschel/ Biebricher, 2006: 26).In der folgenden theoretischen Abhandlung wird deshalb der Fragestellung nachgegangen, ob die offene Kinder- und Jugendarbeit den Anforderungen bzw. gesetzlichen Grundlagen und Zielsetzungen von Partizipation gerecht werden kann, welche Voraussetzungen es dafür braucht und welche möglichen Grenzen in der Umsetzung auftauchen.
Autorenportrait
Die Autorin und gelernte Erzieherin Alexandra Kozak, schloss 2011 Ihr berufsbegleitendes Studium zur Sozialen Arbeit an der Hochschule München mit dem akademischen Grad zum Bachelor of Arts erfolgreich ab. Bereits vor und während des Studiums sammelte sie umfassende praktische Erfahrungen in diversen Praxisfeldern der Offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Aktuell leitet Frau Kozak eine offene Kindereinrichtung (Abenteuerspielplatz) in München.
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 3, Begründungszusammenhänge für die Partizipation von Heranwachsenden in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit:Verschiedene Rechte, Forderungen und Ansprüche bilden die Grundlagen dafür, dass Kinder und Jugendliche grundsätzlich und explizit auch in Einrichtungen der OKJA partizipatorisch mit eingebunden werden sollen bzw. müssen. Im Folgenden möchte ich auf die konkreten Partizipationsrechte der Heranwachsenden sowie auf die gesellschaftspolitischen und pädagogisch-entwicklungspsychologischen Ansprüche und Forderungen eingehen.3.1, Partizipationsrechte von Kindern und Jugendlichen:Historisch gesehen hat sich das Bild vom Kind in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Kindheit wurde früher als Vorstufe zum Erwachsenwerden (Schorn, 1999: 142) gesehen und es gab keine speziell ausgewiesenen Rechte für Nicht-Volljährige. Erst in den letzten 20 30 Jahren werden Kinder und Jugendliche nicht mehr als unvollständige Erwachsene gesehen, sondern als Akteure mit eigenen Fähigkeiten, Interessen und Deutungsmustern (Zinser, 2005: 157).Aufgrund dieser Tatsache gibt es inzwischen Richtlinien und konkrete Rechte, sowohl auf kommunaler und nationaler als auch auf internationaler Ebene (vgl. Schneider/Stange/Roth, 2009: 5), die Kindern und Jugendlichen nicht nur Schutzrechte sondern auch Beteiligungsrechte zusichern. Neben dem achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII), dem Grundgesetz (GG) und dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gelten in Deutschland auch transnationale und internationale Rechte (vgl. Rätz-Heinisch/ Schroer/Wolff, 2009: 38), so etwa die UN-Kinderrechtskonvention oder die Europäische Grundrechtecharta, in denen Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen festgehalten sind.3.1.1,Nationale Partizipationsrechte:Grundsätzlich haben Kinder und Jugendliche, genauso wie Erwachsene, das Recht und die Fähigkeit zur Teilhabe am demokratischen Prozess (), und zwar in allen sie betreffenden gesellschaftlichen Feldern und Fragen (Knauer/Sturzenhecker, 2005: 68). Die Partizipationsrechte lassen sich dabei nach Bundes- und Länderebene sowie der kommunalen Ebene unterscheiden. Auf Bundesebene werden Kindern und Jugendlichen formal die gleichen gesetzlichen Grund- und Beteiligungsrechte wie Erwachsenen zugestanden (vgl. Knauer/Sturzenhecker, 2005: 68). Allerdings sind im GG keine ausdrücklichen Kinder- bzw. Partizipationsrechte für die Heranwachsenden verankert. Betont wird hier lediglich das Bedürfnis von Kindern nach Schutz (vgl. Rätz-Heinisch/Schroer/ Wolff, 2009: 46). Auch im BGB werden nur indirekte Partizipationsrechte für Heranwachsende angedeutet, deren Erfüllung in der Hand der Sorgeberechtigten liegt.Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an. (BGB, § 1626 Abs. 2).Wie in diesem Paragraph sehr gut erkennbar ist, unterliegen die meisten Rechte von Kindern und Jugendlichen einer Besonderheit. Obwohl junge Menschen gegenüber Erwachsenen grundsätzlich gleichwertig sind, werden sie bis zur Volljährigkeit gesetzlich ihren Eltern unterstellt und sind beim Selbständig werden auf diese angewiesen (vgl. Rätz-Heinisch/Schroer/Wolff, 2009: 39 zitiert nach Bartscher/Kriener 2002). Konkretere Partizipationsrechte finden sich erst im SGB VIII wieder, in dem die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe beschrieben werden. Es sichert jedem jungen Menschen das Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit (SGB VIII, § 1 Abs. 1) zu. Die unterschiedlichen Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe sollen zur Verwirklichung dieses Rechts beitragen und junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern (SGB VIII, § 1 Abs. 3). Konkrete Ziele und Schwerpunkte speziell für die OKJA, sind in § 11 SGB VIII verankert. Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen. (SGB VIII, § 11 Abs. 1).Dieser in § 11 Abs. 1 formulierte Partizipationsauftrag bildet sowohl die Rechtsgrundlage, aus der sich das Recht auf Partizipation für Kinder und Jugendliche ergibt, als auch die Forderung an die Einrichtungen der OKJA, Heranwachsende aktiv zu beteiligen (vgl. Lemair, 2011: 15). Auf Länderebene sind die Beteiligungsrechte für Kinder- und Jugendliche in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich, teilweise auch gar nicht ausdrücklich verankert. In der bayerischen Verfassung wird zwar beispielsweise betont, dass Kinder einen Anspruch auf Entwicklung zu selbstbestimmungsfähigen und verantwortungsfähigen Persönlichkeiten (Bayerische Verfassung, Artikel 125 Abs. 1) haben, konkrete Beteiligungsrechte tauchen jedoch nicht auf. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern gibt es in Bayern lediglich spezifische Beteiligungsrechte für Kinder in Kindertagesstätten, die im Bayerischen Kinderbildungs- und betreuungsgesetz (Art. 10 Abs. 2 BayKiBiG) festgehalten sind. Kommunale Festschreibungen, die Beteiligungsrechte von Heranwachsenden in Einrichtungen der OKJA festhalten, fehlen leider (vgl. Kamp, 2010: 16).3.1.2,Transnationale und internationale Partizipationsrechte:Zu den transnationalen und internationalen Partizipationsrechten zählen die Grundrechtecharta der Europäischen Union (EU) und die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK).Die Grundrechtecharta enthält Rechte und Freiheiten für alle Menschen, die innerhalb dieser Gemeinschaft leben. Die am 7.12.2000 beschlossene Charta erhielt allerdings erst 2009, mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon, ihre Rechtsgültigkeit als europäisches Primarrecht (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2010: 9). In Artikel 24 wird festgehalten, dass Kinder ihre Meinung frei äußern (Grundrechtecharta, Art. 24) können und diese auch bei sie betreffenden Angelegenheiten, unter Berücksichtigung von Alter und Reife, berücksichtigt werden soll. 1989 wurde von den Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes verabschiedet. Die sogenannte UN-Kinderrechtskonvention ist zwar völkerverbindlich (Rätz-Heinisch/Schroer/Wolff, 2009: 49), kann aber als zwischen-staatliches Recht () keine innerstaatliche Geltung beanspruchen (ebd., 2009: 50). Das heißt, die Kinderrechte können nicht eingeklagt werden. Die Konvention wurde 1990 von Deutschland unterzeichnet und trat 1992 in Kraft (vgl. ebd., 2009: 49). Obwohl sich Deutschland mit dieser Ratifizierung verpflichtet hat, die Gesetzgebung den Vorgaben der UN-KRK anzupassen (vgl. Liebel, 2007: 44), gibt es bis dato noch immer keine gesetzliche Verankerung der Kinderrechte im deutschen Grundgesetz. Positiv ist allerdings zu vermerken, dass die Konvention ein Umdenken in unterschiedlichen Organisationen dahingehend ausgelöst hat, sich mehr an den Kinderrechten zu orientieren (vgl. ebd., 2007: 143). Durch die Betonung von Partizipation und Selbstbestimmung geht die UN-KRK weit über reine Schutz-, Sorge- und Versorgungsrechte als vorauszusetzende Grundrechte hinaus (Bredow/Durdel, 2003:82). Konkrete Partizipationsrechte sind mehrfach verankert: Berücksichtigung des Kindeswillen (Art. 12), Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 13), Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 14), Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 15) sowie die Sicherung eines adäquaten Medienangebotes unter Berücksichtigung des Kinder- und Jugendschutzes (Art. 17). Die Kinderrechtskonvention gilt für alle jungen Menschen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet (UN-KRK, Art. 1) haben.Kritisch betrachtet enthält die UN-KRK allerdings gleichzeitig sehr spezifische Einschränkungen, was die Partizipation der Heranwachsenden betrifft. So beschränken sich die Beteiligungsrechte bei der freien Meinungsbildung, -äußerung und -berücksichtigung auf Angelegenheiten, welche die Heranwachsenden direkt betreffen, unter Maßgabe der Fähigkeit, dass sie sich eine eigene Meinung bilden können (vgl. UN-KRK, Art. 12). Diese vielseitig interpretierbare Formulierung begünstigt sehr unterschiedliche Sichtweisen, wenn es darum geht, wie Kinder und Jugendliche konkret beteiligt werden können und sollen.
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