Beschreibung
Musik und Leidenschaft - Zum 200. Geburtstag des großen KomponistenEr war ein leidenschaftlicher Tonpoet und kühner musikalischer Vordenker, der in seinem Schaffen Sinnlichkeit und Intellektualität, Realismus und Traumverlorenheit genial zu vereinen wusste: Robert Schumann (1810-1856), vor zweihundert Jahren geboren und bis heute in allen Konzertprogrammen der Welt präsent.Schumann war nicht nur ein bedeutender Komponist und Musikschriftsteller, sondern auch ein politisch wacher Zeitgenosse, der mit der Revolution von 1848/49 sympathisierte. Einerseits stand er - als Vater von acht Kindern - ganz im Leben, andererseits betäubte er sich mit Rauschmitteln, schwor auf spiritistische Sitzungen und ließ durch seine Stücke geheimnisvolle Stimmen geistern.Martin Geck wirft in seiner Biografie ein neues Licht auf das vielseitige Werk des Komponisten - und blickt zugleich in die Abgründe des Menschen Robert Schumann, der zeitlebens unter der größeren Berühmtheit seiner geliebten Frau Clara litt und nach versuchtem Selbstmord schließlich in einer Nervenheilanstalt in den Tod hinüberdämmerte.
Autorenportrait
Martin Geck ist Professor für Musikwissenschaft an der Universität Dortmund. Seine Bücher zur Musikgeschichte und seine Biographien großer Komponisten (u.a. über Mozart, Bach und Wagner) wurden von der Kritik hoch gelobt und in ein Dutzend Sprachen übersetzt. Für sein Buch über Johann Sebastian Bach wurde er mit dem Gleim-Literaturpreis ausgezeichnet.
Leseprobe
Vorz?glich stark ausgebildet die Organe der Vorsicht, - Aengstlichkeit, die sogar meinem Gl?ck im Wege st?nde, - der Musik, - der Dichterkraft - edlen Strebens - gro?n k?nstlerischen aber edlen Ehrgeizes - gro?r Wahrheitsliebe - gro?r Redlichkeit - gro?n Wohlwollens - ?Gem?th durch und durch? - Formensinn - Bescheidenheit - Festigkeit - (Phrenologische Studien v. No?an m[einem] Kopf - Maxen, d. l. JuniAus Robert Schumanns TagebuchDiese Tagebucheintragung Schumanns stammt vom 1. Juni 1846. Robert Schumann und seine Frau Clara sind auf dem Schloss und Rittergut Maxen bei Dresden zu Besuch, das dem ebenso wohlhabenden wie kunstsinnigen Major a. D. Friedrich Serre geh?rt. Man ist zu Tisch eingeladen; Schumann spielt hernach Whist und lernt ?Capit?No? kennen, der am Abend an ihm eine ?merkw?rdige phrenologische Untersuchung? vornimmt, wie es auch im ?Haushaltbuch? unter dem gleichen Datum hei?.Die Rede ist von dem englischen Phrenologen Robert R. No? der gerade in Dresden weilt, um sich mit dem Arzt, Maler und Naturforscher Carl Gustav Carus ?ber das gemeinsame ?Forschungs?-Gebiet auszutauschen und die zweite Auflage seiner Phrenologie oder Anleitung zum Studium dieser Wissenschaft, mit Ber?cksichtigung der neueren Forschungen auf dem Gebiet der Physiologie und Psychologie vorzubereiten; diese wird kurz darauf in der Arnoldischen Buchhandlung in Dresden und Leipzig erscheinen.Phrenologie - also der Versuch, von der Sch?lform eines Menschen auf seine Charaktereigenschaften zu schlie?n - hat damals Hochkonjunktur. Und weil die dabei ?blichen Messungen nicht zuletzt kriminologischen Interessen dienen, wird Schumann dem bekannten Mann seinen Kopf nicht ohne leichtes Gruseln hingehalten haben - freilich auch mit der seltsamen und doch gar nicht so seltenen Begierde, von einem anderen ?ber das eigene Wesen aufgekl? zu werden. Und er wird belohnt: Die ihm attestierte ?gstlichkeit, mit der er sich ja wirklich Tag f?r Tag herumschl?, darf er k?nftig unter ?schicksalhafter Anlage? buchen. Und alle anderen von No?konstatierten Anlagen sind vortrefflich: edles Streben, edler k?nstlerischer Ehrgeiz, Wahrheitsliebe, aber auch Formensinn und Festigkeit.Nat?rlich wei?der Phrenologe, wen er da am Abend des zweiten Pfingsttags 1846 vor sich hat; und sicherlich ist er welt- und berufserfahren genug, um nicht nur Schumanns Kopf zu inspizieren, sondern seinen prominenten Klienten auch mithilfe anderer Indizien so zu taxieren, dass dieser vermutlich zwar etwas aufgew?hlt, aber doch erhobenen Hauptes wieder zu den G?en zur?ckkehren kann. Und der Autor ist von dem Charakterbild, das hier gezeichnet wird, noch nach mehr als 150 Jahren ber?hrt. Denn so vage es ist: Verwendete man es f?r ein Quiz, so w?rde ein leidlicher Kenner der Musikgeschichte in der Tat eher auf Schumann tippen denn auf Beethoven, Wagner oder Meyerbeer. Und da geht es vor allem um eine charakteristische Ambivalenz:Auf der einen Seite die diagnostizierten Z?ge von Vorsicht und ?gstlichkeit, die Schumann best?ig qu?n, ihn immer wieder ?nervenschwach? und partiell menschenscheu erscheinen lassen. Es sind Z?ge, die ihn im produktiven Sinn dazu veranlassen, lieber an der eigenen Pers?nlichkeit zu arbeiten, als andere durch Neid, Kritik oder Herablassung herauszufordern. Kaum je hat Schumann in seiner Neuen Zeitschrift f?r Musik einen Musikerkollegen in Grund und Boden kritisiert oder einen Zeitgenossen in privaten ??rungen beleidigt. Er liebte weder den verbalen Zweikampf noch die besserwisserische Kritikergeste. Stattdessen hatte er Gr?? genug, um den jungen Johannes Brahms enthusiastisch als seinen Nachfolger im Geist zu feiern und einen Hector Berlioz mit seiner Symphoniefantastique, obwohl er diese im Innersten nicht mochte, als Genie des romantischen Realismus ?a fran?se zu w?rdigen.Auf der anderen Seite ein bewundernswerter Mut, sich immer wieder der Welt zu stellen und ihr k?ferisch entgegenzutreten. Das beginnt mit dem jahrelangen Kampf um die Braut Clara, der schlie?ich durch einen