Beschreibung
Ein Serviervorschlag: Das Foto einer Glasschüssel, darin mit Kakao bestreute Schlagsahne. Gereicht wird die Sahne vielleicht zur heißen Schokolade, vielleicht zum Apfelkuchen, vielleicht zum Filterkaffee. Ein Moment der kleinen Aufmerksamkeit, des heimeligen Umsorgt-Seins, des einfachen Komforts und sonntäglichen Luxus. Es ist ein schwarz-weiß Foto, an den Rändern des Dargestellten wird es unscharf, weich und verschwommen, noch etwas Schatten, dann nur noch weiß. Die Glasschüssel ist freigestellt, schwebt auf der weißen Buchseite, schwebt im Nichts. Das Bild der Kaffee-und-Kuchen-Gemütlichkeit, der bemühten Gastlichkeit und sozialen Sicherheit kippt, entfremdet sich. Wie wenn man ein Wort zu oft sagt, verliert das Motiv auf einmal seine vertraute Bedeutung und seine Räumlichkeit, es wird zu einer haltlosen Oberfläche. Überlagerungen, Verzögerungen, Unschärfen, Fliehende Ränder und Flirrende Dimensionen: die Eskalationen in Jenny Schäfers neuem Buch liegen im Detail, die Verschiebungen sind subtil aber beunruhigend. Aus Kitsch wird Schauder, aus Vertrautheit Befremdung, aus Ähnlichkeit Verunsicherung. Spritzgebäck, Torten, Deko-Blüten, Elektro-Gadgets, Ziersteine - die Motive sind disparate Artefakte menschlichen Gestaltens, Objekte zur Sedierung und Beruhigung einer nervösen Gegenwart. Offensichtlich digital bearbeitet, werden sie in Escalations Escapations weiter geformt und arrangiert; als Montage auf den einzelnen Seiten, aber auch über mehrere Seiten hinweg. Farbliche Zusammenhänge oder formale Ähnlichkeiten in den Materialien und Oberflächen knüpfen die so unterschiedlichen Bilder aneinander und bilden damit ein handverlesenes Panorama einer geteilten Objektkultur der kunstvollen Künstlichkeit und anschlussfähigen Individualität. Dieses Panorama aus Nachahmungen und Wiederholungen bemüht jedoch keineswegs, die eigene Unabgeschlossenheit und überwindbare Differenz zu kaschieren, oder, wie es Joshua Groß in seinem Essay in Escalations Escapations formuliert: "Die Wolken werden wahrscheinlich nie so aussehen wie Tortenspitze, aber das ist verkraftbar. Die Tischdecken werden wahrscheinlich nie faltenfrei bleiben, aber auch das ist verkraftbar. Alles befindet sich immerzu in Vorbereitung,."
Autorenportrait
Jenny Schäfer (geb. 1985 Kassel, DE) entwickelt installative Arrangements ihrer Fotografien in Kombination mit Objekten und Text. Sie publiziert Künstlerbücher, die national und international ausgestellt wurden. Ihr thematischer Fokus liegt auf Materialien und Darstellungsweisen der Alltagsästhetik und das Überleben in und mit dieser. www.jennyschafer.de