Beschreibung
Pier Paolo Pasolinis Nachlass barg über Jahrzehnte einen ungewöhnlichen Schatz: einen Zyklus von Sonetten, an denen der Autor zwischen 1971 und 1973 arbeitete. Auslöser für diese Liebes-, Schmerz- und Schmähgedichte war ein »Unfall im Kosmos« - Ninetto Davoli, Pasolinis langjähriger Begleiter und Protagonist vieler seiner Filme, hatte sich von ihm abgewandt und beschlossen, seine Freundin Patrizia zu heiraten. In 112 Anläufen, die sich wie Notrufe aneinanderreihen, sucht der verzweifelte Pasolini das Zwiegespräch mit dem abtrünnigen Geliebten. Leise Liebeserklärungen folgen auf blindwütige Tiraden und Vorwürfe, zärtliches Pathos der Erinnerung weicht beleidigtem Rückzug. Immer wieder lässt die Fassungslosigkeit des Verlassenen die Form der Sonette ausufern - literarischer Anspruch und menschlicher Schiffbruch bleiben untrennbar verwoben. Theresia Prammer hat Pasolinis späte Sonette einfühlsam und in all ihrer Sprengkraft ins Deutsche übertragen.
Autorenportrait
Pier Paolo Pasolini, 1922 in Bologna geboren, war Schriftsteller, Filmregisseur, Journalist und Kritiker. Er lebte in Casarsa (Friaul), verlor wegen »obszöner Handlungen in der Öffentlichkeit« seine Stelle als Lehrer und zog 1950 nach Rom. Mit dem Roman »Ragazzi di Vita« (1955) erlangte er große Bekanntheit in Italien und avancierte mit den »Freibeuterschriften« zu einem der wichtigsten und streitbarsten Intellektuellen seiner Zeit. Pasolini wurde 1975 in Ostia ermordet. Theresia Prammer ist Autorin, Übersetzerin (unter anderem von Pasolinis Gedichten, »Nach meinem Tod zu veröffentlichen«, 2021) und Essayistin. 2022 erhielt sie den Österreichischen Staatspreis für literarisches Übersetzen.