Beschreibung
Paula Schlier berichtet in ihrem autobiographischen Text von 1926 sprachlich und inhaltlich radikal vom Leben junger Frauen im Ersten Weltkrieg, in der neuen und gefährdeten Demokratie und der Zeit der Hyperinflation. Als Schreibkraft hat sich die kritische Journalistin 1923 undercover in den Völkischen Beobachter, das Propagandablatt der Nazis, eingeschleust. Zufällig erlebt sie dort die Ereignisse rund um den Hitler-Putsch. Die Einsichten in die Unmenschlichkeit des Nationalsozialismus lassen beim Lesen oft vergessen, dass damals die Schrecken der Naziherrschaft noch gar nicht begonnen hatten."Man müßte das ganze Buch abschreiben, wollte man nur die wichtigsten Stellen zitieren. Denn hier ist jede Seite und jeder Satz wichtig. Weil jedes Wort uns alle angeht." (Leo Lania, Prager Tagblatt, 1926)"Bildet die Kritik an der faschistischen Redaktion und somit am Wesen des Faschismus auch den Kern des Romans, so reicht seine kritische Haltung doch weit über dieses Thema hinaus." (Rolf Löchel, literaturkritik.de, 2019)Die ausführliche Kommentierung v.a. zu den politischen Ereignissen und ein Nachwort, das den biographischen Hintergrund erhellt sowie den Text im Kontext der Neuen Sachlichkeit erörtert, empfiehlt das Buch auch für den Unterricht an höheren Schulen oder der Universität. Drei kurze Lehrfilme der Herausgeberinnen werden auf youTube angeboten. Der Bayerische Rundfunk produziert zum Jahrestag des Hitler-Putsches Podcasts zum Buch, Gestaltung: Paula Lochte.Das Kapitel zum Hitler-Putsch jetzt auch als Film mit Lea van Acken als Paula Schlier: "Hitlerputsch 1923. Das Tagebuch der Paula Schlier". Regie: Oliver Halmburger. Ab 8.11.2023 in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks.
Autorenportrait
Paula Schlier:Paula Schliers (12.3.1899, Neuburg an der Donau - 28.5.1977, Bad Heilbrunn) Erstlingswerk "Petras Aufzeichnungen oder Konzept einer Jugend nach dem Diktat der Zeit" (1926) gilt als eines der ersten Bücher der Neuen Sachlichkeit mit dem Thema der "Neuen Frau" und ist eines der ersten Werke des investigativen Journalismus in deutscher Sprache. Darüber hinaus bezieht Schlier bereits hier deutlich Stellung gegen den Nationalsozialismus. Ihr zweites Buch "Chorónoz. Ein Buch der Wirklichkeit in Träumen" erschien 1928 im renommierten Kurt-Wolff-Verlag, es enthält Traum-Texte, die dem Surrealismus nahe scheinen. 1932 wandte sie sich auch literarisch dem Katholizismus zu. Sie war Mitarbeiterin der von Ludwig von Ficker herausgegebenen österreichischen Zeitschrift "Der Brenner". Etliche Lebensstationen der Protagonistin in "Petras Aufzeichnungen" sind auch für Paula Schlier nachweisbar. Bereits 1915 meldete sie sich als freiwillige Kriegspflegerin beim Roten Kreuz. 1921 ging sie nach München, wo sie als Stenotypistin arbeitete. Bereits im Jänner 1923 erschienen ihre ersten Artikel gegen den Nationalsozialismus. Im Herbst 1923 ließ sich als Sekretärin im nationalsozialistischen Blatt "Völkischer Beobachter" anstellen, um, wie sie sagte, zu prüfen, "ob eine solche Volksbegeisterung wirklich jeder tieferen Berechtigung entbehren könne". So erlebte sie hautnah den Hitler-Ludendorff-Putschversuch in München 1923 mit. Und: Sie zeichnete alles auf, was sie hörte und sah. Der "Völkische Beobachter" besprach dieses Buch vernichtend. Abseits davon waren die Reaktionen durchwegs positiv, etliche sogar begeistert. Eine Folge von Schliers deutlicher Stellungnahme gegen den Nationalsozialismus - sie änderte ihre politische Haltung auch nach ihrer Konversion zum Katholizismus 1932 nicht - war ihre Verhaftung durch die Gestapo 1942. Ein Psychiatrie-Aufenthalt bewahrte sie vor dem KZ Dachau. Schlier konnte aus der Psychiatrie fliehen und sich bis zum Kriegsende verstecken. Seit 1948 lebte sie in Tutzing am Starnberger See. Nach dem Tod ihres Mannes übersiedelte Schlier nach Bad Heilbrunn, wo sie 1977 starb.Paula Schliers Nachlass wird im Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck aufbewahrt.Annette Steinsiek:Annette Steinsiek, geboren in Gütersloh, ist Literaturwissenschaftlerin am Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck. Sie edierte Briefe, Prosa und Lyrik von Christine Busta, Christine Lavant und Paula Schlier im Otto Müller Verlag und forscht und veröffentlicht über österreichische Literatur des 20. Jahrhunderts, zu Fragen der Archivtheorie und -praxis, der Editionsphilologie und der Biographieforschung, stets aus geschlechterkritischer Perspektive.Ursula A. Schneider:Ursula A. Schneider, geboren in Wien, ist Literaturwissenschaftlerin am Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck. Sie edierte Briefe, Prosa und Lyrik von Christine Busta, Christine Lavant und Paula Schlier im Otto Müller Verlag und forscht und veröffentlicht über österreichische Literatur des 20. Jahrhunderts, zu Fragen der Archivtheorie und -praxis, der Editionsphilologie und der Biographieforschung, stets aus geschlechterkritischer Perspektive.
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