Beschreibung
Von Prag nach Linz, Salzburg, Innsbruck, Bozen, über den Brenner-Pass, zum Gardasee, gefolgt von Verona, Venedig, Florenz, Rom, Capri, Pompeji und vielen anderen Orten mehr: Mary Shelley reist in ihr geliebtes Italien, das Land, dessen Zauber auch von den schrecklichen Tragödien, die sie dort erleben musste - ihr Mann und zwei Kinder starben dort -, nicht gebrochen werden kann. Hellsichtig und feinfühlig beschreibt die Ausnahmeautorin Land und Leute, besucht prunkvolle Paläste sowie Kunstgalerien und die Oper, schwärmt von italienischer Musik, Malkunst und Literatur - wozu sie nicht nur Begeisterung sondern auch kenntnisreiche Analysen anzubieten hat - und gibt außerdem einen Einblick in die politischen Zustände der Zeit, geprägt von Unruhen und den Aktivitäten mysteriöser Geheimbünde.
Autorenportrait
Mary Shelley (1797-1851), die Tochter des Schriftstellers William Godwin und der Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft, wuchs in einem literarisch geprägten Umfeld auf. Sie heiratete - nach einer Zeit der gemein- samen freien Liebe - den Dichter Percy Bysshe Shelley und wurde durch Frankenstein selbst zur weltberühmten Autorin. Zeit ihres Lebens hatte sie mit schweren Schicksalsschlägen zu kämpfen, u. a. mit dem frühen Tod ihres Mannes und dreier Kinder. Trotz aller Widrigkeiten schuf sie ein umfangreiches und äußerst vielfältiges literarisches Gesamtwerk, das weit mehr umfasst als nur ihre berühmteste Schöpfung: mehrere historische Romane, Dramen, Kurzgeschichten, Kurzbiographien und zwei Reiseberichte.
Leseprobe
Sorrent, 1. Juni Es kommt mir vor, als wäre ich noch nie in Italien gewesen - als würde sich mir der Zauber dieses Landes jetzt zum ersten Mal offenbaren. Die entzückten Sinne flüstern unentwegt: 'Das ist das Paradies.' Hier ergründe ich das Geheimnis der italienischen Poesie - nicht das von Dante; er gehörte zu Etrurien und Gallien diesseits der Alpen. Die Toskana und die Lombardei sind wunderschön - sie sind ein schöneres Frankreich, ein fruchtbares, sonniges England - aber hier finden wir nur einen anderen Boden und einen anderen Himmel. Hier labten sich Italiens Dichter an den süßen Früchten jener verzauberten Gärten, die sie in ihren Werken beschreiben, und wir wundern uns über ihre blühende Phantasie - dabei schilderten sie nur die Wirklichkeit - die Wirklichkeit von Sorrent. Erinnere Dich an jene Strophen von Tasso, die Passagen über Berni und Ariosto, bei denen man sich in den Garten Eden versetzt fühlt - darin findet man die besten Beschreibungen des Zaubers, der diesen Ort umgibt. Ich hatte Neapel schon einmal besucht, aber das war im Winter - und so schön ich es auch fand, ahnte ich damals doch nicht, wie dieses Land in der ganzen Pracht seines Sommerkleides ist. Hier steht das Haus, in dem Tasso geboren wurde. Kein Wunder, dass die Gärten von Armida einem das Gefühl geben, der Dichter sei von der Verzückung ins Elysium versetzt worden, habe dessen balsamischen Duft aufgesogen und unter diesem Einfluss geschrieben. So war es auch wirklich - hier ist das Strahlen, die Herrlichkeit, die er beschreibt - hier verbrachte er seine Kindheit; der Duft dieser Lauben und die Herrlichkeit dieses Himmels ließen ihn auch in der dunklen Zelle des Klosters St. Anna nicht los. Der Abschnitt der Bucht, der zu Sorrent gehört, ist einzigartig geformt. Er besteht überwiegend aus steilen Klippen, die aus dem Wasser emporragen, hier und da unterbrochen von einem kurzen Streifen Sand, eingerahmt von Felsen. Die Klippen sind von Höhlen durchlöchert, einige nach oben offen und von üppigen Pflanzen überwuchert; andere liegen tief in den Felsen.