Beschreibung
Die Angelhütte am See hat Viktor von seinem Schwiegervater übernommen. Hier haben Max und er Tage und Nächte der Seligkeit verbracht, halb verwildert, am Lagerfeuer, im Glück über den guten Fang. Als Viktor eines Morgens das Ruderboot aufs Wasser hinauslenkt, erreicht ihn ein Anruf: Man teilt ihm mit, dass sein Vater gestorben ist, auf dem Amtsweg. Dieser Vater, der ihn ein Leben lang gegen eine Mauer der Ablehnung rennen ließ, löst nur wenig gute Erinnerungen aus, und eigentlich hat Viktor längst Max an seine Stelle gesetzt. So kommt ihm jetzt auch dieser andere Abschied in den Sinn, die Fahrt mit seiner Ex-Frau nach Irland, Max' leerer Blick. Dessen letzter Wunsch, die Asche an einem Lieblingsstrand zu verstreuen, bescherte ihnen dann eine weitere, absurde Reise - mitsamt Urne die Küste entlang. Doch auch der echte Vater, der wenig über sich sprach, ruft nach einer Geschichte. Viktor entschließt sich, ihm eine zu geben.Geschickt verbindet Hansjörg Schertenleib in seinem neuen, sehr persönlichen Buch Momente des Angelglücks am Sihlsee mit einem Roadtrip durch Irland und erhellt parallel dazu das Schicksal eines Verdingbubs, der sein ungeliebter Vater war. Ein packender Roman um Beschädigung, Scheitern und Selbstbehauptung - temporeich und stringent erzählt.
Autorenportrait
HANSJÖRG SCHERTENLEIB, geboren 1957 in Zürich, gelernter Schriftsetzer und Typograph, ist seit 1982 freier Schriftsteller. Seine Novellen, Erzählbände und Romane wie die Bestseller »Das Zimmer der Signora« und »Das Regenorchester« wurden in ein Dutzend Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, seine Theaterstücke auf der ganzen Welt auf die Bühne gebracht. Schertenleib lebte zwanzig Jahre in Irland, vier Jahre auf Spruce Head Island in Maine und wohnt seit Sommer 2020 im Burgund. Zuletzt erschienen: »Die grüne Fee« (2022), »Die Fliegengöttin« (2018), »Palast der Stille« (2020) und »Offene Fenster, offene Türen« (2021) sowie die Maine-Krimis »Die Hummerzange« (2019) und »Im Schatten der Flügel« (2020).
Leseprobe
'Der Beamte, der mich informiert, ist verständnisvoll und behutsam, in seiner Stellung wird er zerrüttete oder aus dem Lot geratene Familienverhältnisse gewohnt sein. Ich falle in einen weißen Abgrund, fange mich aber gleich wieder; im Dickicht schimmern Spinnennetze, aufgespannt zwischen Ästen, die Taumäntel tragen. Die Weide, neben der Max und ich eine Stelle zu einem versteckten Lagerplatz geebnet haben, ist niedergesunken und liegt im Wasser, der Schlag meiner Ruder versetzt ihren Stamm in träges Schaukeln. Ich empfinde Erleichterung, keine Trauer, bin vom Vorwurf erlöst, ein Leben lang der falsche Sohn gewesen zu sein.'