Beschreibung
Die Geschichte der psychodynamischen Methoden könnte auch als Geschichte ihrer Konzepte von der Übertragung und Gegenübertragung erzählt werden. Was hat sich gewandelt? Die Übertragung ist nicht mehr nur der Irrtum, mit dem der Patient frühe Beziehungserfahrungen wiederholt, sondern auch ein Versuch, den Therapeuten in die Lösung innerer Konflikte einzubeziehen und zu verwenden. Und die Gegenübertragung ist nicht mehr eine unvermeidliche Störung, sondern Ausdruck der Mitwirkung der Therapeutin in der psychotherapeutischen Beziehung.Auch Beziehungen des Alltags sind von Übertragungsphantasien geformt, diese aber halten wir unbewusst, damit wir nicht "aus dem Rahmen fallen". In der psychoanalytischen Situation hingegen können sich die Patienten frei machen von den im Alltag geforderten Einschränkungen des Erlebens und Wünschens. Der Patient kann die Chance ergreifen, seine im therapeutischen Prozess lebendig gewordenen Beziehungsphantasien in ein neues, erweitertes Selbst- und Beziehungskonzept zu integrieren. Das wäre ein Schritt ins Freie, vielleicht nach einer Phase der inneren Abhängigkeit vom psychodynamisch arbeitenden Psychotherapeuten.
Autorenportrait
Prof. Dr. Jürgen Körner, Diplom-Psychologe, Psychoanalytiker (DPG, DGPT, IPA), war von 1987 bis 2009 Professor am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der FU Berlin, von 1995 bis 2001 Vorsitzender der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft. Er ist Gründungspräsident der International Psychoanalytic University Berlin und Herausgeber der Zeitschrift »Forum der Psychoanalyse«. Geforscht und veröffentlicht hat er zu diesen Themen: Theorie und Methode der Psychoanalyse, Psychoanalytische Sozialpädagogik, Jugendliche Delinquenz, Mensch-Tier-Beziehung. Er ist Autor des Buches »Bruder Hund und Schwester Katze. Tierliebe die Sehnsucht des Menschen nach der Natur« (Kiepenheuer und Witsch, Köln, 1996).
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