Beschreibung
Das Gedicht heute behauptet sich am Rande seiner selbst; es ruft und holt sich, um bestehen zu können, unausgesetzt aus seinem Schon-nicht-mehr in sein Immer-noch zurück. Das Gedicht ist einsam. Es ist einsam und unterwegs. Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Es sucht es auf, es spricht sich ihm zu. Paul Celan
Autorenportrait
Paul Celan, eigentlich Paul Antschel oder Anczel, wurde 1920 als einziges Kind deutschsprachiger Juden in Czernowitz geboren. Er besuchte das Oberrealgymnasium, das er 1934 verlassen mußte und absolvierte 1938 das rumänische Staatsgymnasium. Sein Medizinstudium in Tours/Frankreich brach er mit Beginn des Krieges ab, studierte aber noch im selben Jahr Romanistik an der Universität von Czernowitz. Seit 1948 lebte er in Paris, 1960 erhielt er den Georg-Büchner-Preis. 1970 nahm er sich das Leben.
Leseprobe
ALLERSEELEN Was hab ich getan? Die Nacht besamt, als könnt es noch andere geben, nächtiger als diese. Vogelflug, Steinflug, tausend beschriebene Bahnen. Blicke, geraubt und gepflückt. Das Meer, gekostet, vertrunken, verträumt. Eine Stunde, seelenverfinstert. Die nächste, ein Herbstlicht, dargebracht einem blinden Gefühl, das des Wegs kam. Andere, viele ortlos und schwer aus sich selbst: erblickt und umgangen. Findlinge, Sterne, schwarz und voll Sprache: benannt nach zerschwingendem Schwur. Und einmal (wann? auch dies ist vergessen): Den Widerhaken gefühlt, wo der Puls den Gegentakt wagte.