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Im Schatten der Macht

Kommunikationskulturen in Politik und Verwaltung 1600-1950

Erschienen am 13.05.2008, 1. Auflage 2008
42,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593382302
Sprache: Deutsch
Umfang: 324 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 21.5 x 14.2 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Wo Politik immer undurchsichtiger und erfolgloser erscheint, wird es zunehmend wichtiger zu verstehen, wie politische Entscheidungen und Programme in die gesellschaftliche Wirklichkeit umgesetzt werden. Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes zeigen an Fällen von der Frühen Neuzeit bis heute, wie Politik im Alltag von Verwaltungsinstanzen organisiert und verändert wird. Dabei gerät besonders die Eigengesetzlichkeit politisch-administrativer Systeme und deren erhebliche gesellschaftliche Bedeutung in den Blick. Deutlich wird: Nur wenn wir die Prozesse, mit denen gesellschaftliche Wirklichkeit organisiert wird, umfassend verstehen, lässt sich ein Politikbegriff entwickeln, der auch in der Zukunft tragfähig bleibt.

Autorenportrait

Stefan Haas ist Professor für Geschichte an der University of Toronto und Direktor des DAAD Information Centres für Kanada. Mark Hengerer, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Assistent im Fachbereich Geschichte und Soziologie der Universität Konstanz.

Leseprobe

Das Thema dieses Bandes sind politisch-administrative Systeme zwischen 1600 und dem zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts. Der Begriff des politisch-administrativen Systems anstelle des Begriffs der staatlichen Verwaltung reflektiert, dass Politik und Administration in diesem Band als teils bis zur Ununterscheidbarkeit miteinander verschränkte Elemente eines rekursiven und kreativen Prozesses der vorherrschaftenden Organisation von Gesellschaft in den Blick genommen werden. Zum anderen trägt er dem Umstand Rechnung, dass der moderne Staat in der Frühen Neuzeit erst im Entstehen war. Bürokratie ist als Element im Prozess der Herausbildung moderner Staatlichkeit anerkannt und sie veränderte sich innerhalb der von ihr selbst mitverwandelten Rahmenbedingungen so stark, dass auch in der Verwaltungsgeschichte die Zeit um 1800 häufig als Epocheneinschnitt wahrgenommen wird. Der Begriff des politisch-administrativen Systems soll dagegen eine diachrone Perspektive auf Bürokratie erleichtern. Das Argument, das uns bewogen hat, Frühneuzeit und Moderne gemeinsam zu betrachten, sind die gemeinsamen Folgen des Cultural turn für die Historiografie der Moderne und der Frühen Neuzeit. Für die Moderne ist die Beschäftigung mit Verwaltung dort besonders wichtig, wo im Kontext des Cultural turn das Konstruieren und damit Organisieren von Wirklichkeit in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Verwaltungen sind bedeutsam für diesen Ansatz, weil sie nicht, wie die klassische Politikgeschichtsschreibung annahm, die auf der Bühne der Mächtigen getroffenen Entscheidungen umsetzen', sondern weil sie für die Organisation institutioneller Sozialsysteme ein Element sui generis sind. Das Theorem der Implementation bringt dies zum Ausdruck. Im Gegensatz zum Begriff der Umsetzung, bei dem stets die kafkaesk konnotierte Vorstellung automatengleich funktionierender preußischer Verwaltung für die Definition leitend war, stellt der Begriff der Implementation die Tätigkeit von Verwaltungsinstitutionen als kreativen Akt des Organisierens soziokultureller Wirklichkeit dar. Ein Gesetz wird dann nicht mehr als das vorgestellt, was die Bühne der Entscheidungsinstanzen verlassen hat, sondern als das, was am Ende einer Kommunikationskette als Realität mittels der gesetzlichen Maßnahmen konstruiert wird. Eine solche Sichtweise bietet verschiedene heuristische Vorteile: Verwaltung wird als genuiner Bestandteil des politischen Prozesses verstanden und Politik nicht mehr nur auf den Gesetzgeber reduziert. Wo politische Instanzen als Experten der Wahrnehmung und Lösung von Problemen und der Kodifizierung von Lösungsstrategien in Gesetzen und Verordnungen vorgestellt werden, rücken Verwaltungen als Experten in der Kommunikation und Implementation dieser Codes in den Blick. Zudem wird Verwaltungstätigkeit so als dynamisch erkannt, was vielleicht der bedeutendste Unterschied ist zwischen einer klassisch modernen Auffassung von Bürokratie als Organisation, deren Ziel es ist, Stillstand durch permanente Wiederholung gleicher Abläufe zu erreichen, und der hier vorgestellten, postmodern geprägten. Hier wird das Gelingen von Verwaltung im Sinn der Etablierung von gleichförmigen Prozessabläufen als eine Möglichkeit verstanden, Komplexität sehr variabel und differenziert zu gestalten, sei es durch Erhöhung oder Reduktion, und damit Wirklichkeit zu konstruieren. Darin liegt schließlich eine Anerkennung der Kreativität der Verwaltung im Umgang mit sich selbst und ihrer Umwelt. Das im Wesentlichen für die Moderne formulierte Konzept der Implementation basiert auf einer gesteigerten Sensibilität für die Nichtselbstverständlichkeit des Gelingens von Kommunikationsprozessen, die sehr deutlich auch die jüngere Frühneuzeitforschung charakterisiert. Hier gilt das Interesse verstärkt der Formung von Kommunikation durch Normen, Rituale und Symbole, der Formung von Situationen der Kommunikation und der Zurichtung kommunikativer Gefüge durch die Kombination verschiedener Kommunikationsmedien.

Inhalt

Vorwort7 Zur Einführung: Kultur und Kommunikation in politisch-administrativen Systemen der Frühen Neuzeit und der Moderne Stefan Haas und Mark Hengerer Zeremonielle Verfahren: Zur Funktionalität vormoderner politisch-administrativer Prozesse am Beispiel des Landtags im Fürstbistum Münster Tim Neu Selbstverwaltung unter adeliger Herrschaft: Die Stadt Jind?ich?v Hradec (Neuhaus) nach der Revolte gegen Wilhelm Slavata (1620-1626) Josef Hrdli?ka Instruktion, Praxis, Reform: Zum kommunikativen Gefüge struktureller Dynamik der kaiserlichen Finanzverwaltung (16. und 17. Jahrhundert) Mark Hengerer Königlicher Wille und administrative Praxis: Zur sächsischen Herrschaft in Polen-Litauen im 18. Jahrhundert Peter Collmer Sir Thomas Roe vor dem indischen Mogul: Transkulturelle Kommunikationsprobleme zwischen Repräsentation und Administration Antje Flüchter Forst-Kultur: Die Ordnung der Wälder im 19. Jahrhundert Bernd-Stefan Grewe Die administrativen Prozesse einer politischen Gesundheitsbehörde: Das Reichsgesundheitsamt 1876-1933 Axel C. Hüntelmann Die Einführung der Fraktur-Schrift von Ludwig Sütterlin und das preußische Kultusministerium (1910-1924) Reinhold Zilch Die Dienststelle des Stellvertreters des Führers/Partei-Kanzlei als Verwaltungsbehörde der NSDAP: Struktur, Organisationskultur und Entscheidungspraxis Armin Nolzen Sinnstiftungsprozesse einer Verwaltung im Niedergang: Reformversuche im Reichskommissariat Ostland 1943-1944 Sven Jüngerkes Säuberung, Verdrängung, Alltagsarbeit - Macht und Kommunikationsstrukturen in der "sozialistischen Universität": Zur Hochschulorganisation in der SBZ und frühen DDR Tobias Kaiser Kommunikative Strukturen in der Implementation der Wohnungspolitik am Beispiel der Stadt Münster 1949-1961 Julia Sue Hubinger Autorinnen und Autoren

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