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Freuds Jahrhundert

Die Geschichte der Psychoanalyse

Erschienen am 04.03.2006
Auch erhältlich als:
39,90 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783552053724
Sprache: Deutsch
Umfang: 624 S.
Format (T/L/B): 4 x 22 x 15.2 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Was zu Beginn des letzten Jahrhunderts mit den eigenwilligen Forschungen des jungen Doktor Freud begann, hat das Selbstverständnis des Menschen und seiner Kultur verändert wie kaum eine andere Theorie. Eli Zaretsky hat nun die erste wirklich umfassende Geschichte der Psychoanalyse geschrieben. Sie handelt nicht nur von den prominenten Protagonisten - von Freud und Adler bis zu Lacan - sondern versteht die psychoanalytische Bewegung als einen zentralen Akteur der Geschichte des 20. Jahrhunderts. "Sorgfältig und intelligent: diese Form der Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse war dringend notwendig." (Peter Gay)

Autorenportrait

Eli Zaretsky promovierte 1978 an der Universität Maryland. Sein Buch Capitalism, the Family, and personal Life (Die Zukunft der Familie, dt. 1978) wurde bisher in 14 Sprachen übersetzt. Daneben publizierte er Aufsätze über Familiengeschichte, Psychoanalyse und moderne Kulturgeschichte. Zaretsky ist Professor der Geschichte an der New School University in New York City. 2006 ist sein Buch Freuds Jahrhundert. Die Geschichte der Psychoanalyse im Paul Zsolnay Verlag erschienen.

Leseprobe

Ich nähere mich meinem Thema historisch und soziologisch. Die Psychoanalyse hat ständig neue Begriffe und Theorien entwickelt, um zu erklären, wie gewöhnlich Männer und Frauen die Welt und sich gegenseitig verstehen. Es gibt zahllose Einzeluntersuchungen, parteiergreifende Verlautbarungen und tendenziöse Angriffe, nur als historisches Phänomen wurde die Psychoanalyse bislang nicht betrachtet. Anscheinend fehlt uns noch immer der gesellschaftliche, kulturelle und intellektuelle Rahmen, der für das Verständnis eines für unsere eigene Selbstkonstitution so wichtigen Phänomens unerläßlich ist. Um die Psychoanalyse historisch zu verstehen, reicht es nicht aus, Freuds Biographie zu kennen, über die Geschichte der Psychiatrie oder Wiens Bescheid zu wissen, so wichtig das alles sein mag. Eine Geschichte der Psychoanalyse muß vor allem erklären, warum sie eine so ungeheure Wirkung entfaltet hat. Daß sie so großen historisch-gesellschaftlichen Einfluß gewonnen hat, ist andererseits aber auch der Grund, der es so schwer macht, der Psychoanalyse gegenüber eine historische Perspektive einzunehmen. Wer diese Perspektive einnehmen möchte, muß einen gewissen Abstand zu seinem Gegenstand halten. Dieser Abstand hat sich erst spät aufgetan, nämlich als der medizinische Erfolg der Psychoanalyse zu schwinden begann. [. ] Heute ist es möglich, die Psychoanalyse als Ganzes, in ihren sowohl repressiven wie befreienden Aspekten zu sehen. Voraussetzung dafür ist, daß man die Psychoanalyse als die erste große Theorie und Praxis des 'persönlichen Lebens' sieht. 'Personal life': damit meine ich die Erfahrung, daß ich eine Identität habe, die nicht aufgeht in meiner Stellung in der Familie, der Gesellschaft und der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Natürlich ist die Möglichkeit, ein der eigenen Person gemäßes Leben zu führen, ein universaler Aspekt des Menschseins, aber das meine ich nicht. Es geht mir um die historisch spezifische Erfahrung der Singularität und Innerlichkeit, die, soziologisch gesehen, in den Modernisierungsprozessen, die mit der Industrialisierung und der Urbanisierung einhergingen, und in der Geschichte der Familie ihren Ursprung hat. Früher war die Familie der Hauptort der Produktion und Reproduktion. Die Identität des Individuums war bestimmt durch dessen Stellung in der Familie. Im neunzehnten Jahrhundert führte die (sowohl physische als auch emotionale) Trennung der bezahlten Arbeit vom Haushalt, die für den Aufschwung des industriellen Kapitalismus maßgeblich war, zu neuen Formen von Privatheit, Häuslichkeit und Intimität. Zunächst waren sie das familiale Gegenstück zur unpersönlichen Welt des Marktes. Später und zunehmend sah man darin eine Möglichkeit, ein persönliches, der eigenen Identität entsprechendes Leben jenseits oder gar außerhalb der Familie zu füh ren. Das fand seinen gesellschaftlichen Ausdruck in Erscheinungen wie der 'neuen' (der unabhängigen) Frau, des Auftretens von Homosexuellen in der Öffentlichkeit und der Abwendung junger Menschen von der vorrangigen Beschäftigung mit Arbeit und Beruf zugunsten neuer sexueller Erfahrungen, eines freizügigen und auf Genuß gerichteten Lebensstils, aber auch in modernen Formen des künstlerischen Schaffens. In der Periode zwischen 1880 und 1920 - von Historikern als 'zweite industrielle Revolution' bezeichnet - boten neue städtische Räume und Medien - Volksbühnen, Variétés, Kinos - Bezugspunkte, an denen sich Vorstellungen von extrafamilialen Identitäten herausbilden konnten. Die je eigene, persönliche Identität wurde Problem und Projekt, sie stand im Gegensatz zu dem, was man durch seine Stellung in Familie und Wirtschaft war. Für dieses neue Interesse an einem persönlichen Leben lieferte die Psychoanalyse Theorie und Praxis. Ihr ursprüngliches historisches Telos war die Entfamiliarisierung, die Befreiung des Individuums von unbewußten Bildern der Autorität, wie sie in der Familie begründet waren. Die grundlegende Idee der Psychoanalyse, das Konzept eines dynamischen Leseprobe

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