Beschreibung
Ein grandioser Roman über Schuld und Sühne, Verlust und Verbrechen Ein Fall, der tief an die Seele des finnischen Kommissars Kimmo Joentaa rührt: Sinikka ist verschwunden - nur ihr Fahrrad und ihre Tasche werden gefunden. Genau an der Stelle, an der vor dreiunddreißig Jahren ein anderes Mädchen vergewaltigt und ermordet wurde. Das Verbrechen verstört nicht nur Polizei und Öffentlichkeit, sondern auch einen der beiden Täter von damals . Niemand weiß besser als Kimmo Joentaa, wie es sich anfühlt, einen geliebten Menschen zu verlieren. Wenn die Angst der Gewissheit weicht, dass der andere fort ist. Für immer. Deshalb hütet sich der Kriminalkommissar aus dem finnischen Turku davor, den Eltern von Sinikka Vehkasalo zu widersprechen. Ihnen die Hoffnung zu nehmen, dass ihre Tochter noch leben könnte. Auch wenn er es besser weiß. Wissen muss. Denn die Parallelen sind zu offensichtlich. Wenn dreiunddreißig Jahre nach dem ungeklärten Mord an einem jungen Mädchen an genau der gleichen Stelle ein anderes Mädchen unter ähnlichen Umständen verschwindet, muss es einen Zusammenhang geben. Denkt nicht nur Kimmo, sondern auch sein in den Ruhestand verabschiedeter Kollege Ketola. Getrieben von der Hoffnung auf späte Antworten, nimmt er die Fährte seines ungelösten Falles wieder auf. Auch die beiden Täter von damals beginnen, sich gegenseitig zu belauern. Und für einen von ihnen wird die Reise in die eigene Vergangenheit eine gnadenlose Auseinandersetzung mit der lange verdrängten Verantwortung.
Autorenportrait
Jan Costin Wagner, Jahrgang 1972, lebt als freier Schriftsteller und Musiker bei Frankfurt am Main und in Finnland, seiner zweiten Heimat. Seine erste Songwirter-CD "behind the lines" erschien 2010. Seine Romane wurden vielfach ausgezeichnet (Deutscher Krimipreis, Nominierung zum Los Angeles Times Book Prize) und in 14 Sprachen übersetzt. Der Roman "Das Schweigen" wurde 2010 fürs Kino verfilmt.
Leseprobe
Sommer 1974 Irgendwann waren sie in den roten Kleinwagen gestiegen und losgefahren. Vorher hatten sie lange im Schatten der kleinen Wohnung gesessen. Stunden lang. Tage lang. Wochen lang. Am Anfang hatte Pärssinen ihn abfangen und eine Weile überreden müssen, hereinzukommen. Später hatte er selbst an die Tür geklopft, und dann hatte Pärssinen geöffnet, und er hatte in Pärssinens Wohnung gesessen, Sonnenflecken auf dem Boden betrachtet und sich auf Pärssinens Stimme konzentriert. Eine leise, monotone Stimme, die sich ab und zu plötzlich überschlug, um gleich darauf wieder kaum hörbar fortzufahren. Manchmal hatte er den Kopf gehoben, um Pärssinens Augen zu suchen, aber er hatte sie nicht gefunden, denn Pärssinen hatte an ihm vorbei mitten in eine Wand geredet. Er hatte den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen und sich wieder auf Pärssinens Stimme konzentriert. Nach einer Weile hatte Pärssinen eine Filmrolle aus einer der Hüllen genommen, den Projektor angeschaltet, und während der Film lief, hatte Pärssinen endlich geschwiegen. Während Pärssinen geschwiegen hatte, hatte er die Leinwand fixiert und seine Hand in seiner Hosentasche langsam auf und ab bewegt und in den Augenwinkeln erahnt, dass Pärssinen es bemerkte, aber nach und nach war das nicht mehr wichtig gewesen, und erst hatte Pärssinen gelacht und dann hatte er nach einer Weile eingestimmt und irgendwann, nach einigen Wochen, waren sie losgefahren. Pärssinen hatte gesagt: Wir fahren jetzt los, und er hatte darauf nichts erwidert. Pärssinen hatte die Filmrolle in die Hülle gelegt, die Hülle in das Regal gestellt und war aufgestanden und hatte noch einmal gesagt: Wir fahren jetzt los. Er glaubte, sich zu erinnern, dass er kurz, er wusste nicht, wie lange, aber es konnten ja nur Sekunden gewesen sein, sitzengeblieben war. Er glaubte sogar, sich an ein Flackern in Pärssinens Augen zu erinnern, an einen Moment des Zweifels. Pärssinen hatte für einen Moment an ihm gezweifelt, aber dann war er auch aufgestanden und hatte einen Schmerz im Unterleib gespürt, während er Pärssinen ins Freie gefolgt war. Die Sonne war warm gewesen und Pärssinens roter Kleinwagen von Monate, vielleicht Jahre altem Matsch verdreckt. Sie waren eingestiegen. In seiner Erinnerung sah er Pärssinen am Steuer sitzen. Sich selbst auf dem Beifahrersitz sah er nicht. Während der Fahrt hatte Pärssinen wieder angefangen zu reden. Hektisch und eindringlich. Hatte alles noch mal schnell erklärt, auf den Punkt gebracht, und er hatte an den Film gedacht, an eine ganz bestimmte Szene, eine Situation in diesem Film, diesem. Film, eine bestimmte Situation, und dann hatte er gespürt, dass es bald, gleich zu Ende sein würde, dass es jetzt erst begann, aber auch gleich zu Ende sein würde. Und Pärssinen hatte gesagt, sie würden diesen Scheiß jetzt durchziehen und hatte gleichzeitig den Blick von der Straße genommen und ihn angestarrt, und für einen Moment, den Moment, den er gebraucht hatte, um auszuweichen, hatten Pärssinens Augen ihn getroffen. Danach hatte er durch die Scheibe die trockene Straße betrachtet, und die Sonne hatte über ihrem roten Auto gehangen, und er hatte an eine bestimmte Szene aus einem Film gedacht, hatte sie sich ausgemalt, hatte sich vorgestellt, diese Szene wirklich zu erleben, und Pärssinen hatte die Geschwindigkeit gedrosselt und vor sich hingemurmelt, wenn er draußen am Straßenrand etwas sah, und dann den Kopf geschüttelt und gesagt: 'Nein, geht nicht' und nicht näher erklärt, warum es nicht ging. Dann hatte Pärssinen begonnen, vor sich hin zu fluchen, und war ganz aus der Stadt herausgefahren, und er hatte gespürt, dass Pärssinen wusste, was er tat, obwohl Pärssinen versichert hatte, so etwas auch noch nie gemacht zu haben, und dass erst ihre Bekanntschaft, ihre Begegnung, ihr Zusammenfinden, wie er es ganz am Ende einmal genannt hatte, ihm klargemacht hätte, dass es sein müsse, dass es verdammt noch mal sein müsse und dass es keinen Sinn hätte, dagegen anzugehen, sondern dass
Schlagzeile
Filmstart 19.08.10